Carsten Behaghel ist IT-Berater und unterstützt mittelständische Unternehmen bei der digitalen Transformation. Im Interview mit RATIO kompakt erläutert der RKW BW-Fachberater die Vorteile von digitalen Dokumenten- und Content-Management-Systemen – und was man bei der Einführung beachten sollte. Carsten Behaghel betont: „Gerade durch die Digitalisierung werden interne Kosten gesenkt und die Arbeitsabläufe effizient und sicher gestaltet.“
Ratio kompakt: Die Politik unterstützt die Wirtschaft bei der digitalen Transformation mit Förderprogrammen wie „Digital jetzt“ oder der Digitalisierungsprämie. Mittelständische Unternehmen nehmen die Förderprogramme gerne in Anspruch, um bei der Digitalisierung vorwärts zu kommen. Also alles bestens?
Carsten Behaghel: Ganz so rosig sehe ich das nicht. Der deutsche Mittelstand hat beim Einsatz digitalisierter Geschäftsprozesse noch immer einen erheblichen Nachholbedarf. Insbesondere beim „digitalen Büro“, das bei großen Firmen mittlerweile etabliert ist, gibt es bei kleinen und mittelständischen Unternehmen noch deutliches Nachbesserungspotenzial. Laut Bitkom-Studie „Digital Office im Mittelstand 2019“ sind nur 19 Prozent des Mittelstandes für eine umfassende Digitalisierung der Büroarbeit software-seitig optimal aufgestellt – ein erschreckender Wert, wenn man das im europäischen Vergleich sieht.
Der Mittelstand tut sich im Allgemeinen also eher schwer mit Digitalisierung, wenn auch ausgelöst durch die Corona-Pandemie ein gewisser Schub zu sehen ist. Warum ist das so?
Corona hat vielen Unternehmen sicherlich die Defizite von analogen Geschäftsabläufen aufgezeigt – an der grundsätzlichen Einstellung hat sich dabei allerdings wenig geändert. Viele Unternehmer sehen hier immer noch einen unüberschaubaren Aufwand zur Umsetzung einer digitalen Strategie beziehungsweise scheuen vermeintlich hohe Kosten. Doch gerade die Digitalisierung von Geschäftsabläufen trägt dazu bei, unnötige Arbeitsschritte zu vermeiden und den Aufwand für die interne Verwaltung deutlich zu verringern. In Summe werden durch die Digitalisierung also interne Kosten gesenkt und nicht zuletzt die Arbeitsabläufe effizient und sicher gestaltet.
Digitale Transformation im Mittelstand: Das ist ein weites Feld, man kann bei Produktion, Prozessen, Produkten und Dienstleistung ansetzen. Wo und wie würden Sie als Digitalisierungsberater ansetzen?
Fragen Sie mal fünf Unternehmer, was sie unter „digitaler Transformation“ verstehen – da erhalten Sie mit Sicherheit fünf verschiedene Antworten. Aus meiner Sicht ist das „digitale Büro“, also das digitale Dokumentenmanagement, die absolut notwendige Basis für alle weiteren Digitalisierungsstrategien. Wie effektiv ist zum Beispiel ein Online-Shop, wenn die eingehenden Bestellungen nach wie vor ausgedruckt werden oder das Retouren- und Zahlungsmanagement weiterhin in Papierform stattfinden? Digitale Workflows sowie die rechtssichere Archivierung von Dokumenten sind daher die Grundlage für die Weiterentwicklung von Unternehmen, um im Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren.
Man kennt ja produzierende Unternehmen, die einerseits digitale Prozesse fahren, etwa bei der Konstruktion von Bauteilen, und dennoch parallel auf Papier setzen. Fehlt es dem Mittelstand an der nötigen Konsequenz oder am Know-how?
Ich bin weit davon entfernt, Unternehmen in Deutschland mangelndes digitales Know-how zu unterstellen. Vielmehr spiegelt sich vor allen Dingen in kleineren Unternehmen eine „Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Mentalität“ wider beziehungsweise fehlt aus meiner Sicht der Antreiber oder die Initialzündung zur Umsetzung einer vollumfänglichen Digitalisierung. Viele kleine und mittelständische Unternehmen sind sich der Vorteile von digitalen Geschäftsprozessen durchaus bewusst, letztlich fehlt aber der letzte „Kick“ zur finalen Entscheidung.
Sie haben Ihren Schwerpunkt im Dokumenten- und Content-Management, treiben hier die digitale Transformation in der Beratung mittelständischer Unternehmen voran. Welche Vorteile können Sie nennen?
Die Vorteile liegen gemäß der Bitkom-Studie klar auf der Hand: Mittelständische Unternehmen, die eine Lösung zur Digitalisierung von Büro- und Verwaltungsprozessen einsetzen, bescheinigen ihrer Software einhellig einen relevanten Beitrag zur Steigerung der Effizienz beim Zugriff auf Informationen (94 Prozent) sowie zur Verbesserung der Daten- und Informationssicherheit im Umgang mit Dokumenten (Stichwort „rechtssichere Archivierung“). Zudem spielt auch die mobile Nutzung der eingesetzten Software, zum Beispiel im Home-Office oder beim Kunden, eine große Rolle. So können orts- und papierunabhängig Rechnungen freigegeben und interne Workflows angestoßen, Aufträge, Bestellungen oder Pläne direkt beim Kunden per Tablet oder Laptop abgerufen werden – um nur einige Beispiele zu nennen.
Die beste Lösung scheint das Enterprise Content Management, kurz ECM, zu sein. Was versteht man darunter und welche Möglichkeiten bietet solch ein System?
ECM-Systeme sind vor allen Dingen für mittelständische Unternehmen interessant. Startpunkte sind hier traditionell das Finanz- und Rechnungswesen, Marketing und Vertrieb sowie der Einkauf. Selbstverständlich lassen sich hier auch bestehende ERP-Systeme integrieren. Unter ECM versteht man insbesondere die digitale Verwaltung und Organisation aller Dokumente eines Unternehmens, einschließlich E-Mails und Mediadateien, wohingegen ERP-Systeme ihren Schwerpunkt auf die Planung und Integration aller relevanten Daten für die gesamte Ressourcenplanung legen. Durch den parallelen Einsatz beider Systeme ergeben sich somit deutliche Synergieeffekte, wie zum Beispiel die Bearbeitung einer eingehenden Bestellung im ERP-System und die abschließende automatisierte rechtssichere Archivierung der Ausgangsrechnung direkt im ECM. Aber auch für kleine Unternehmen oder Handwerksbetriebe gibt es praktikable Lösungen, die innerhalb von einem halben Tag einsatzbereit und preislich attraktiv sind. So könnte unter anderem der papierhafte Buchhaltungsordner für den Steuerberater entfallen, da die betreffenden Dokumente bereits elektronisch an die Kanzlei übermittelt werden können.
Wie darf man sich die Integration von ECM in einem mittelständischen Unternehmen vorstellen?
Basis für eine Einführung ist zunächst eine fundierte Analyse der Ist-Situation im Unternehmen. In welchen Bereichen wird also noch mit Papier gearbeitet, wie sehen die internen Workflows dazu im Unternehmen aus? Über welche IT-Infrastruktur verfügt das Unternehmen, welche digitalen Plattformen werden bereits genutzt? Danach erfolgt in der Regel die Abstimmung der Bereiche, mit denen initial gestartet werden soll sowie die Auswahl der für das Unternehmen geeignetsten Software-Lösung und der anschließenden Implementierung. Diese Punkte werden in einem Realisierungskonzept zusammengefasst, in dem unter anderem auf die Projektplanung, die notwendigen Arbeitsschritte und Arbeitspakete sowie deren Zeitbedarf eingegangen wird. Selbstverständlich erfolgt die Planung auch unter Einbezug der entstehenden Kosten sowie des benötigten internen Aufwands des Unternehmens.
Ohne externe Unterstützung wird die digitale Transformation wohl nicht zu machen sein, oder doch?
Auch hier möchte ich keinem Unternehmen unterstellen, seine Geschäftsprozesse nicht in Eigenregie digitalisieren zu können. Durch die Hinzunahme einer professionellen externen Projektbegleitung allerdings können bereits im Vorfeld mögliche Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden, um das Projekt somit in wesentlich kürzerer Zeit und mit deutlich reduziertem internen Aufwand für das Unternehmen umzusetzen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist natürlich die Unvoreingenommenheit bzw. die Neutralität des externen Beraters. Dadurch lassen sich die Angebote verschiedener Anbieter neutral gegenüberstellen und die für das Unternehmen beste Lösung herausarbeiten. Zudem sind die notwendigen Prozess-Schritte bereits bekannt und müssen durch das Unternehmen nicht langwierig selbst erarbeitet werden. Zusammenfassend lässt sich also sagen: Beratung bietet Lösungen, entlastet und spart Zeit.