Wie feiert das RKW seinen 100. Geburtstag? Natürlich ganz in seiner Tradition: Mit einer Diskussion hochkarätiger Experten über Zukunftsfragen, die insbesondere die mittelständische Wirtschaft betreffen. Die Landesorganisation des RKW, der RKW Baden-Württemberg e.V., lud am 27. Oktober zur Festveranstaltung in die L-Bank-Rotunde am Stuttgarter Börsenplatz. Neben geladenen Gästen vor Ort konnten Menschen in aller Welt die Diskussionsrunde zum Thema „Standort Baden-Württemberg – nachhaltig, digital und fit für die Zukunft?“ per Livestream verfolgen.

RKW: 100 Jahre im Dienst des Mittelstands

In seiner Begrüßung verwies Martin Peters, Vorstandsvorsitzender des RKW BW, auf den roten Faden in der RKW-Historie: „100 Jahre RKW, das sind 100 Jahre im Dienst des Mittelstandes.“ Zu jeder Zeit habe sich das RKW mit neuen Technologien, Innovation und Managementmethoden und deren Auswirkungen auf den Mittelstand und auf die Arbeit befasst, sagte Peters. So sei es nur folgerichtig, dass man sich anlässlich des runden Geburtstags mit den aktuell größten Herausforderungen und Chancen für den Mittelstand beschäftige.

Wirtschaftsministerin lobt RKW BW als verlässlichen Partner

Dies griff Ministerialdirektor Michael Kleiner auf, der in Vertretung der kurzfristig verhinderten baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut deren Grußbotschaft überbrachte: „Heute gilt es in der Wirtschaft mehr denn je, Innovationen voranzutreiben, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und den Strukturwandel zu gestalten. Mit seinen Bausteinen Beratung, Weiterbildung und Mittelstandsprojekten ist das RKW dabei ein verlässlicher Partner an der Seite kleiner und mittlerer Unternehmen und trägt immer wieder dazu bei, Herausforderungen in Chancen zu verwandeln und Unternehmen zukunftsfest zu machen.“

Die Akteure (v.l.n.r.): Christian Böllhoff (Prognos AG); Ministerialdirektor Michael Kleiner (Wirtschaftsministerium BW); Kai Burmeister (IG Metall); Unternehmer Carsten Kraus (CK Holding); Prof. Dr. Wilhelm Bauer (Fraunhofer IAO); Martin Peters (Vorstandsvorsitzender des RKW BW e.V.); Jan Sibold (Geschäftsführer des RKW BW). Foto: Anna Sieger

Handlungsbedarf bei Innovationen im Mittelstand

Unter der Moderation des früheren ZDF-Journalisten Rudolf Rauschenberger stellten sich anschließend fünf ausgewiesene Experten der Diskussion – und machten ihren jeweiligen Blickwinkel auf die Themen deutlich. Prof. Dr.-Ing. Prof. e. h. Wilhelm Bauer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation sowie Technologiebeauftragter der Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg, ordnete die Innovationskraft der Unternehmen im Land ein: Spitze in Deutschland, sehr gut im europäischen Vergleich, aber im internationalen Vergleich nur Mittelfeld. Besondere Sorge bereite ihm, dass der Anteil an Innovationsausgaben zwar bei den größten Unternehmen im Land angestiegen sei, die kleineren allerdings bei einer Quote von 1,5 Prozent „dümpeln“ würden – hier bestehe Handlungsbedarf. 

Junge Menschen im Land machen Mut

Christian Böllhoff, geschäftsführender Gesellschafter der Prognos AG, bezeichnete es als „mentales Grundproblem, dass wir immer noch in sehr guter Situation sind“. Das könne dazu führen, dass die Notwendigkeiten nicht rechtzeitig erkannt würden und „Europa in 50 Jahren Industriemuseum ist“. Mut mache ihm allerdings, dass sich die junge Generation für die Zukunftsthemen begeistere. „Da steckt auch eine Sinnstiftung dahinter“, befand Böllhoff. Als besonders innovativ erwiesen sich dabei gerade divers zusammengesetzte Teams.

Mittelstand: an globalen Maßstäben orientieren

Der aus Berlin zugeschaltete Experte für nachhaltiges Wirtschaften, Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher vom Ulmer Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung, warnte vor Selbstzufriedenheit. „Ökonomisch macht es einen Riesenunterschied, ob man sich industriell an globalen Maßstäben orientiert oder nur an deutschen und europäischen Lösungen“, meinte er. Psychologisch hemmend wirke, dass mit den Fragen der Gegenwart kein Zukunftsversprechen mehr verbunden sei. Vorwiegend gehe es um neue und teurere Produktionsprozesse „um das zu erhalten, was wir schon haben“.

Transformation gestalten, Bürokratie abbauen

Die Künstliche Intelligenz werde in vielen Lebensbereichen für disruptive Veränderungen sorgen, die es zu gestalten gelte, setzte dem Carsten Kraus, Seriengründer und KI-Experte aus Pforzheim, entgegen. Dabei könne die hierzulande reichlich vorhandene Kreativität als Standortvorteil wirken. Nur dürfe diese nicht durch bürokratische Hemmnisse ausgebremst werden. Kraus forderte von der Politik, systemisch und über eine Legislaturperiode hinaus zu denken. Sie müsse dafür sorgen, dass nicht „Überregulierung Steine in den Weg wirft“. 

Gewerkschaft: Kampagne für digitale Alphabetisierung

Als Bremser wollte auch Kai Burmeister von der Bezirksleitung der IG Metall und designierter DGB-Landesvorsitzender keinesfalls wirken. Die Gewerkschaften seien vielmehr „eindeutig Treiber“, beispielsweise bei der Suche nach innovativen Konzepten für Weiterbildung. „Wir brauchen eine digitale Alphabetisierungskampagne“, forderte Burmeister – und dass die notwendige Transformation der Wirtschaft mit einem Sicherheitsversprechen an die Mitarbeiter einhergehe.

Nachhaltigkeit: Chance für Standort BW

Einen positiven Ausblick wagte gegen Ende Wilhelm Bauer: In der Corona-Krise hätten Individuen und Firmen gelernt, dass sie flexibler, variabler und unkonventioneller sein könnten als gedacht. Und bei den Themen Green Deal, resiliente Wertschöpfung und Nachhaltigkeitstechnologien „können wir uns zutrauen, auch weltweit ganz vorne dabei zu sein“, zeigte er sich überzeugt. Dafür bedürfe es jedoch privater Investitionen ebenso wie Förderprogrammen des Staates: „Es muss eine gemeinsame Dynamik entstehen.“

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