Sandra Volz ist Spezialistin für Marketing und Vertrieb. Die RKW BW-Fachberaterin begleitet Unternehmen häufig auf dem Weg von der Existenzgründung zur Unternehmensentwicklung und Expansion. Im Interview mit RATIO kompakt erläutert Sandra Volz die Bedeutung von Marketing und Vertrieb bei der Entwicklung von innovativen Geschäftsmodellen mit analogen und digitalen Formaten. Die RKW BW-Fachberaterin betont: „Die entscheidende Frage ist: Was passt zu meinem Unternehmen und zu meinen Kunden?“

RATIO kompakt: Innovativen Geschäftsmodellen mit hochwertigen Produkten und damit vernetzten Service-Dienstleistungen gehört die Zukunft. Sind die mittelständischen Unternehmen in Baden-Württemberg hier gut aufgestellt?

Die Zukunft wird mit den in der Gegenwart getroffenen Entscheidungen geformt. Gerade diese gehen vor allem in Baden-Württemberg in die Richtung der Innovation und der hochwertigen Produktion. Somit sind wir bereits in der zukunftsweisenden Bewegung angekommen. Laut Innovationsindex ist Baden-Württemberg mit deutlichem Abstand bundesweit an führender Position.

Hat die Corona-Krise bei innovativen Geschäftsmodellen etwas in Bewegung gesetzt?

Einige der Innovationen fallen unter den Begriff der Digitalisierung, und gerade diese Entwicklung hat durch die entstandenen Corona-Beschränkungen einen Schub bekommen, denn eingeschlagene Wege in der Unternehmensplanung mussten verlassen werden und etwas Neues musste an dessen Stelle treten. Als Beispiele wären hier zu nennen: Videokonferenzen, What`s-App-Berater, Service-Apps und Plattformen. Kommunikation und Informationsaustausch zwischen Unternehmen und Kunden hatten auf digitaler Ebene noch einen starken Ausbaubedarf, und dies galt es nachzuholen. Dazu gehörten auch differenziertere Servicemodelle, Expansion zu weiteren Kommunikationskanälen und eine kundenorientiertere Neuausrichtung. Klein- und mittelständische Unternehmen schafften es schnell, sich nicht nur anzupassen, sondern neue Ziele zu erreichen und somit ihre zukunftsweisende Aufstellung heute schon in die Tat umzusetzen. Vorreiter sind jedoch Großunternehmen, welche konzentriert seit Jahren Mittel in die Digitalisierung investieren.

Somit ist eine Dynamik bei allen Unternehmensformen und -größen zu entdecken?

Ja. Aber Änderungen brauchen auch einen prüfenden Blick, um zu garantieren, dass die Neuaufstellung nicht nur kurzfristig gelingt, sondern auch auf lange Sicht Früchte tragen wird. Häufig wird bei Unternehmen der Fokus auf das Produkt im Marketing-Mix gelegt. Dazu gehören auch smarte Dienstleistungen und Leistungsversprechen als zukünftige Chancen. Die Digitalisierung bietet hier die Grundlage zur verbesserten Nutzung von Chancen. Ich denke an Kunden-Anforderungen und die Optimierung der Wertschöpfung - mittelständische Unternehmen können sich so im Wettbewerb behaupten.   

Wenn Unternehmen ihre bestehenden Geschäftsmodelle überprüfen, neue Geschäfte aufbauen und ihre Marktposition ausbauen: Dann spielen Marketing und Vertrieb eine wichtige Rolle. Was zeichnet ein modernes Marketing- und Vertriebskonzept heute aus?

Primär gilt es, dafür das Fundament für das Thema zu betrachten. Sowohl der Vertrieb wie auch das Marketing fokussieren die Zielgruppen und das Alleinstellungsmerkmal. Ob Zielgruppe, Charaktertypen oder ein in der Masse betrachtetes Kaufverhalten: der Kunde ist die entscheidende Instanz, welche die Analyse eines erfolgreichen Unternehmens auszumachen hat. Denn es gilt die Wünsche, die Bedürfnisse und die Probleme der Kunden zu erkennen und sie zu bedienen. Aufgrund des starken Wettbewerbs muss auch im Marketing und im Vertrieb das Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens immer hervorgehoben werden. In der Art und Weise, wie zum Beispiel ein Verbraucher im lokalen Handel oder beim Online-Einkauf ein Produkt erhält, zeigt sich der Wiedererkennungswert des Unternehmens. Dieser Wert symbolisiert das moderne Konzept des Vertriebsweges. Egal ob online oder offline: Die Wünsche des Kunden sollten jeweils abgedeckt werden, so entwickelt sich auch der klassische Vertrieb vom anfänglichen Multi-Channel zum Omni-Channel mit Click und Collect und weiteren neuen Kanälen immer weiter.

An welche Formate denken Sie genau, Sie haben ja Ihren Schwerpunkt in der Textil- und Modebranche?

Persönliche Favoriten von mir sind aktuell auf der einen Seite temporäre Konzepte wie Truckstores, Container und Pop-Up-Stores. Sie bieten eine raffinierte Alternative und bestechen durch ihre Flexibilität. Auf der anderen Seite bieten digitale Showrooms immense Möglichkeiten die Digitalisierung weiterzuführen. Die Vielfalt an Vertriebsaktivitäten ist immens, die entscheidende Frage ist: Was passt zu meinem Unternehmen und zu meinen Kunden?

Sind Messen out, ist der reisende Vertriebsmitarbeiter Vergangenheit? Und Marktbearbeitung findet nur noch aus dem Homeoffice statt?

Die Zukunft nach der Pandemie: Ein spannendes und aktuell heiß diskutiertes Thema. Mein Eindruck ist, dass die Schlussfolgerungen und Lerneffekte, welche 2020 gewonnen werden konnten, eine neue Klarheit mit sich bringen. Abhängigkeit und der Gegenpol Flexibilität stellen neue Maßeinheiten dar und betreffen die Art und Weise, wie der Vertrieb sich verändert. Präsenzveranstaltungen bestechen durch ihren persönlichen Charme, der menschliche Faktor ist und bleibt einer der stärksten Entscheidungsträger. Man kann die Wünsche der Kunden regelrecht von den Augen ablesen. Doch bietet auch die digitale Variante spannende Vorteile. So ist man losgelöst von den Grenzen von Zeit und Raum. Digitale Showrooms und digitale Messen rücken in das Bühnenlicht. Wir erschaffen uns selbst neue Möglichkeiten und nutzen sie schon fast spielerisch im Markt. Austausch und Informationsgewinnung sind durch die digitale Ebene noch einfacher, flexibler und offener. Hybrid-Veranstaltungen schlagen hier die Brücke und nutzen die Vorteile beider Seiten - sowohl das Persönliche, aber auch das Globale. Selbst bevorzuge ich bei Erstkontakten das persönliche Zusammentreffen, denn allein schon die Körpersprache geben mir ein besseres Verständnis meines Gegenübers. Jedoch bin ich bei Folgegesprächen, gerade wenn es Abstand zu halten gilt, flexibel und individuell in Bezug auf Onlinemedien. Es geht um den perfekten Mix, welches es für jeden zu ermitteln gilt. Ich habe aber den Eindruck, dass die persönlichen Treffen umso wertvoller werden, da wir diese bewusster festlegen und fokussierter gestalten. Haupttrend bleibt die Digitalisierung, aber auch mit der Freiheit für alle persönlichen Entwicklungspotentiale. Zum Thema „Vertriebler“ hat sich in meiner Branche auch diese Fragestellung weiterentwickelt. Entweder ich habe den Key-Account-Manager, der den Input der Schlüsselkunden direkt ins Produktmanagement weitergibt, oder statt des regionalen Handelsvertreters eine überregionale oder internationale Agentur mit festen Showrooms und Fachmessepräsenz. Inzwischen entwickeln sich auch digitale Agenturen, die online eine B2B- oder B2C-Präsenz für Unternehmen anbieten.

Am schnellsten Fuß gefasst hat E-Commerce in Richtung Endverbraucher. Was können Maschinenbauer und Zulieferbetriebe vom B2C-Geschäft lernen?

Gerade aus dem Modebereich kann man den Umgang mit einem starken Verdrängungswettbewerb als Vorbild nehmen. Tempo, Abgrenzung, Aufmerksamkeit, Aktionen generieren – in der Mode- und Textilbranche wurden diese Themen auf ein Meisterniveau katapultiert. Doch was hierbei in den letzten Jahren auch als entscheidende Kompetenz entstanden ist, sind die Transparenzanforderungen. Eine klare Kommunikation, was die Eigenschaften der Produkte sind, was die Herstellungsarten sind und welche Konditionen existieren. Genau diese Kommunikation mit dem Konsumenten wäre eventuell ein Skill, der noch von anderen Branchen ausgebaut werden kann. Bei der B2C- Kommunikation ist auch die Gestaltung ein entscheidender Schlüssel für Aufmerksamkeit:  authentisch und emotional wahrgenommen zu werden. Doch nun könnten manche behaupten, dass die Kunden ja nicht zwingend auf die Ästhetik achten, sondern auf die Inhalte. Aber auch im Vergleich mit der Mode spielen in anderen Branchen Produktdesign, Präsentation, Aktualität und Service eine immense Rolle. Somit ist auch im E-Commerce eine ansprechende informative Website, klare Produkt- und Dienstleistungsinformationen und eine leichte Erreichbarkeit und spannende Präsentation über verschiedenste Kanäle entscheidend. Des Weiteren wird im Bereich Mode extrem auf das Thema Branding Wert gelegt, welches durch die passenden Social-Media-Kanäle und gutes Influencer-Marketing unterstützt wird. Diese Marketingtrends verzeichnen ein immenses Wachstum und es lohnt sich zu überlegen, ob dies für das eigene Unternehmen anwendbar wäre.

Empfehlungsmarketing ist der Königsweg der Kundengewinnung. Wie schafft man einen Wiedererkennungswert für Unternehmen? Wie markiert man heute den Unterschied im Wettbewerb, vor allem, wenn man neue Geschäftsfelder entwickeln möchte?

Ganz einfach – seien Sie authentisch und ehrlich. Mit dem eigenen Alleinstellungsmerkmal zeigt ein Unternehmen, wofür es selbst steht und welche Werte es vertritt. Hier ist die offene Kommunikation ebenfalls der Schlüssel zur Lösung. Der Kunde und Konsument ist heutzutage viel aufmerksamer und bewusster. Er ist informiert und sucht sich die Produkte und  Unternehmen, welche zu seinen eigenen Wertvorstellungen passen. Dynamik und Innovation zeigen sich folglich nicht nur im Produkt selbst, sondern auch in der Unternehmenssprache und deren Leitsätzen, zum Beispiel durch Referenzen, Testberichte, Presseartikel, Wettbewerbe, Testimonials etc.  Die Unternehmen, welche meines Erachtens sich am meisten vom restlichen Wettbewerb abgrenzen konnten, sind diejenigen, welche sich mit Herz und Verstand ihre Botschaft überlegt haben und diese eisern verfolgen und immer die neuesten Einflüsse integrieren. Der rote Faden bleibt, aber der Zeitgeist sorgt für ein fortlaufendes Bestehen im Markt. Ich selbst finde das stärker werdende Konzept von Plattformen, Netzwerken und Kollektiven sehr raffiniert. So betonen Unternehmen nicht nur ihren eigenen Wiedererkennungswert, sondern schaffen durch die Zusammenarbeit ein Gemeinschaftsbild. Dieses ist besonders in einem Krisenjahr wie 2020 schön zu sehen, denn es wurden der Konkurrenz gegenüber nicht die Ellenbogen gezeigt, sondern man hat durch gemeinsame Zusammenarbeit neue Stärken gewonnen und mehr Vielfalt geboten.

Welchen Nutzen bietet externe Beratung im Bereich digitaler Vertrieb? Wie markieren Sie den Unterschied?

Digitaler Vertrieb ist ein sehr komplexes und dynamisches Thema, dazu gehören Fragestellungen wie Content-Marketing, Suchmaschinenoptimierung, Keywords und Hashtags und so weiter. Ein Blick von außen, eine andere Meinung, neue Einfälle und eine Quelle an Wissen: Eine externe Beratung ist immer eine Stütze für Gründer und bestehende Unternehmen. Der eigene Eindruck kann häufig verfälscht werden, indem man entweder zu euphorisch oder zu kritisch ist. Im Laufe meiner Erfahrung als Beraterin durfte ich beide Extreme bereits erleben. Doch eins kann ich garantieren, ein Mehrwert durch eine geschulte Meinung ist immer vorhanden. Eine Unterstützung im digitalen Vertrieb kann allein schon dadurch geboten werden, dass man neue Ideen in die Runde werfen kann und dadurch, dass man mit vielen verschiedenen Unternehmen gearbeitet hat und jedes eine individuelle Lösung benötigt hat. Dadurch greift man auf einen vielfältigeren Fundus zurück. Auch hat das Ganze etwas sehr Menschliches, wenn man zu einer Beratung geht, denn egal wie durchdacht und ausgefeilt eine Firmenidee oder ein Projekt ist, jeder freut sich, wenn man von jemand anderem hören kann – „Ja das funktioniert!“ - und das von einem Experten zu hören, gibt einem den notwendigen letzten Kick, es sich wirklich zuzutrauen. Andererseits ist aber auch auf der Basis profunder Erfahrung die kritische Begleitung von Ideen und Ihren Marktchancen erforderlich. Ich selbst habe im Bereich Digitalisierung jahrelange Erfahrung, als leitende Angestellte für Distanzunternehmen, als Dozentin für E-Commerce und als Beraterin für Vertriebs- und Kommunikationsstrategien, diesbezüglich habe mit verschiedensten Gründern und Unternehmen zusammengearbeitet. Weiterhin konnte ich über die Jahre ein weit gespanntes Netzwerk mit Digitalisierungsexperten aufbauen, deren Wissen ich als Beraterin ebenfalls mit an die Hand gebe oder die Beratung auf mehreren Ebenen als Strategie-Coach betreue.

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