Der Bundestag hat das Lieferkettengesetz zwischenzeitlich verabschiedet. Wilfried Krokowski rechnet mit bürokratischem Mehraufwand und empfiehlt mittelständischen Unternehmen, sich rechtzeitig auf die Auswirkungen des Gesetzes vorzubereiten. Der RKW BW-Fachberater mit Schwerpunkt Einkauf, Logistik und Lieferantenmanagement betont: „Der Eindruck, dass zunächst nur Großunternehmen von der neuen Gesetzeslage betroffen sein werden, trügt.“ Krokowski rät zu angemessenen Aktivitäten, um den Auflagen der Sorgfaltspflicht Rechnung zu tragen. Er leitet den RKW BW-Arbeitskreis Einkauf und ist Trainer des RKW BW-Lehrgangs Einkauf, der im Oktober 2021 startet.
RATIO KOMPAKT: Herr Krokowski, der Bundestag hat das Lieferkettengesetz verabschiedet. Die Verantwortung deutscher Unternehmen für die Achtung von Menschenrechten in globalen Lieferketten wird erstmals verbindlich geregelt. Erläutern Sie uns bitte die Ziele des Lieferkettengesetzes.
Wilfried Krokowski: Um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden, setzt die Bundesregierung die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 in Deutschland um. Dort ist die Erwartung an Unternehmen formuliert, mit Bezug auf ihre Größe, Branche und Position in der Lieferkette in angemessener Weise die menschenrechtlichen Risiken in ihren Lieferketten zu ermitteln, ihnen zu begegnen, darüber zu berichten und Beschwerdeverfahren zu ermöglichen.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) zielt mit diesem Gesetz darauf ab, Globalisierung gerecht zu gestalten - für ihn ist das die soziale und ökologische Frage des 21. Jahrhunderts. Gerd Müller sagte in einem Interview in der ZEIT: „Wir bürden die Kosten unserer Lebens- und Wirtschaftsweise anderen auf.“ Mensch und Natur würden außerhalb der EU ausgebeutet, das sei nicht zukunftsfähig. Dürfte das nicht auch im Interesse der Unternehmen sein, wenn international Mindeststandards eingehalten werden?
Natürlich ist eine gesunde Natur und die Einhaltung der Menschenrechte im Sinne aller Unternehmen, zumindest wüsste ich keine Firmenleitung oder keine Geschäftsführung, die dem widersprechen würde. Das richtige Augenmaß ist hierbei von großer Wichtigkeit. Wie so häufig bei neuen Gesetzen wird die Wirtschaft später mit den Auswirkungen, den Aufwänden und Kosten, allein gelassen. Wer hier zu viel investiert, wird mit Wettbewerbsnachteilen im internationalen Umfeld zu rechnen haben und seine Ausgangssituation am Markt nicht zum Positiven wenden. Daher kann den Firmen nur empfohlen werden, sich rechtzeitig mit dem neuen Gesetz auseinanderzusetzen und Aktionen frühzeitig zu starten, die angemessen sind und die den Auflagen der Sorgfaltspflicht Rechnung tragen.
Worauf müssen sich die Unternehmen einstellen? Die Wirtschaft rechnet mit mehr Bürokratie.
Ja, ohne Zweifel, dies wird so sein. Es soll auch eine Dokumentationspflicht geben, nach der die Unternehmen ihre Anstrengungen fortlaufend festzuhalten haben – die entsprechenden Dokumente sind sieben Jahre aufzubewahren. Außerdem ist jährlich ein öffentlich zugänglicher Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu erstellen. Er soll dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zugeleitet werden. Das BAFA soll für die Aufsicht und Durchführung des Gesetzes zuständig sein.
Das Lieferkettengesetz soll ja zunächst nur für die großen Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten gelten, kleine und mittlere Unternehmen scheinen demnach nicht betroffen zu sein.
Der Eindruck, dass zunächst nur Großunternehmen von der neuen Gesetzeslage betroffen sein werden, trügt. Schon bald wird der Mittelstand in Deutschland von den Großunternehmen, die er beliefert, und öffentlichen Auftraggebern aufgefordert werden, seine Maßnahmen in Sachen „Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ darzulegen. Wer hier nicht entsprechend vorbereitet ist, wird Nachteile tragen müssen. Die Uhr tickt und es gilt, rechtzeitig die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten.
Sie beraten Unternehmen bei der Entwicklung von Einkaufsstrategien, unterstützen beim Aufbau von internationalen Supply-Chain-Netzwerken, Lieferantenmanagement und Logistik. Beschreiben Sie bitte, wie sich insbesondere mittelständische Unternehmen auf das Lieferkettengesetz vorbereiten können, wo sind die Stellhebel?
Beim RKW Baden-Württemberg steht interessierten Firmen ein Expertennetzwerk zur Verfügung, das Unternehmen in kurzer Zeit zur Erreichung der Selbstverpflichtungs- Standards bei Bedarf professionell unterstützen kann. Ein wesentlicher Bestandteil der Aktionen ist der „Lieferketten-Kompass“, der alle notwendigen Aktionen, die sich aus dem Gesetz jetzt und in naher Zukunft ergeben, darstellt. Der Lieferkettengesetz-Kompass umfasst folgende Bereiche:
- CSR (Corporate Social Responsibility) und Code of Conduct / Firmenstrategie
- Lieferantenanalyse
- Aktionsschritte definieren
- Aktionsplan festlegen
- Organisation und Verantwortlichkeiten
- Lieferantenbewertung und -auswahl
- Lieferantenselbstauskunft / Audit und Zertifizierung
- Report und Berichtswesen
Wenn sich ein Unternehmen entschließen sollte, sich durch einen externen Berater bei Fragen rund um das Lieferkettengesetz unterstützen zu lassen: Wie würde dies konkret ausschauen, was den zeitlichen Aufwand und die Dauer eines solchen Projektes betrifft?
Das Expertenteam beim RKW BW besteht aus Praktikern des internationalen Einkaufs, bei diesem Thema können auch Rechtsanwälte und Knowhow-Träger aus Hochschulen eingebunden werden. Seit über 25 Jahren sind wir mit unserem Expertenteam und Netzwerk in dieser Angelegenheit bereits aktiv und sind Kooperationspartner des RKW BW. Wir unterzeichneten bereits 2007 eine Selbstverpflichtung nach SA8000, in dem nur Lieferanten zum Einsatz kommen, die sich zu fairen Arbeitsbedingungen ohne Kinderarbeit verpflichten, dazu gehört auch die Einhaltung der Menschenrechte.
Am Anfang des Projektes stehen eine Erstberatung, in dem die Informationsvermittlung, die allgemeine Bewertung der Ausgangslage und die Festlegung der nächsten Aktivitäten auf der Agenda stehen. Dieser Kick-off umfasst in der Regel ein bis zwei Online-Termine. Danach steigen wir in die Detailberatung ein, die natürlich von der jeweiligen Ausgangslage des zu betreuenden Unternehmens abhängt. Diesen Teil des Projektes würden wir aus unserer Erfahrung im Durchschnitt auf sechs Monate ansetzen.
- © Krokowski/Ehring 2021 / Sonstige/Kommerziell – Lieferkettengesetz STEUERRAD (2021-05-25-Steuerrad.jpg)
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