Bietet der Betrieb eine ausreichende Ertragsgrundlage für den Nachfolger bzw. die Nachfolgerin? Hat das Geschäftsmodell eine Zukunft? Wer frühzeitig die Weichen stellt, kann sein Unternehmen für die Übergabe attraktiv machen – und die Nachfolge geordnet planen. Dr. Nadine Schlömer-Laufen vom Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn beschäftigt sich seit Jahren mit der Nachfolge in Familienunternehmen. Die Projektleiterin des IfM betont: „Es empfiehlt sich, sich bereits fünf bis zehn Jahre vor dem geplanten Ausscheiden mit der Frage auseinandersetzen, wer das Familienunternehmen übernehmen soll.“
RATIO kompakt: Frau Dr. Schlömer-Laufen, familieninterne Übergaben bergen weniger Risiken als geplante Verkäufe. Das zeigt eine neue Studie des Instituts für Mittelstandsforschung mit Sitz in Bonn. Warum ist das so?
Frau Dr. Schlömer-Laufen: Familieninterne Nachfolgen haben den Vorteil, dass die potenziellen Nachfolgekandidaten bereits bekannt sind und daher nicht mehr gesucht werden müssen. So kennen beispielsweise die Kinder des Eigentümers oder der Eigentümerin das Unternehmen gut und können dadurch relativ gut einschätzen, worauf sie sich einlassen. Gleichzeitig kennt auch der Übergebende die Stärken und Schwächen der Kinder und kann auch ihre Absichten und Ziele mit dem Unternehmen gut einschätzen. Und schlussendlich wird das Unternehmen meist an sie vererbt oder verschenkt, weshalb es in der Regel letztlich auch keine Verhandlungen über einen Kaufpreis gibt.
Dies ist im Falle familienexterner Nachfolgen – insbesondere dann, wenn kein Nachfolgeinteressent in der Belegschaft oder im geschäftlichen bzw. privaten Umfeld zur Verfügung steht – anders: Zunächst muss ein Nachfolgerinteressent gefunden werden. Dann muss dieser das zur Übergabe stehende Unternehmen für so attraktiv halten, dass er oder sie nicht nur zur Übernahme des Unternehmens, sondern auch zur Zahlung eines bestimmten Kaufpreises bereit ist. Gelingt einer dieser Schritte nicht, kommt keine Übergabe zustande und das Unternehmen muss letztlich stillgelegt werden. Daher sind familien-externe Unternehmensnachfolgen per se mit mehr Unwägbarkeiten verbunden.
Die vorliegende Studie untersucht erstmals für Deutschland, wie viele Betriebe im geplanten Übergabezeitraum stillgelegt werden und welche Faktoren die Stilllegung bzw. den Fortbestand beeinflussen. Bitte erläutern Sie uns die wichtigsten Ergebnisse.
Bei unserer Untersuchung hat sich gezeigt, dass rund jeder vierte Betrieb, dessen Übergabe zwischen 2012 und 2016 geplant war, letztlich stillgelegt wurde. Das lässt sich natürlich auch positiv ausdrücken: Rund drei von vier übergabereifen Betrieben gelang der Fortbestand. Schaut man sich die stillgelegten Betriebe an, so fällt auf, dass diese mit durchschnittlich sieben Beschäftigten deutlich kleiner waren als die weiter bestehenden Betriebe. Letztere beschäftigten im Durchschnitt 16,6 Personen. Zugleich war aber auch ihre Performance in den Jahren vor der geplanten Übergabe deutlich besser als die der stillgelegten Betriebe: Sie verfügten über eine gute Ertragslage, einen hohen technischen Anlagenstand und eine größere Exportorientierung. Zudem zeigen unsere Analysen, dass Betriebe, die eine familieninterne Nachfolge planten, seltener im Übergabezeitraum stillgelegt wurden.
Was sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren für eine gelingende Übergabe?
Da sich die Ausgangssituationen, Rahmenbedingungen und Zielsetzungen eines jeden Unternehmers oder einer jeder Unternehmerin unterscheiden, gibt es letztlich kein Patentrezept, wie Übergabepläne erfolgreich umgesetzt werden können. Allerdings gilt für alle dieselbe notwendige Bedingung: Nur wenn es gelingt, einen Nachfolger bzw. eine Nachfolgerin für die Übernahme des Unternehmens zu gewinnen, kann der Fortbestand des Unternehmens gesichert werden. Damit ein Unternehmen interessant für potenzielle Nachfolger bzw. Nachfolgerinnen wie auch für die eigenen Kinder ist, muss es über eine gewisse wirtschaftliche Attraktivität verfügen. Jeder Alteigentümer und jede Alteigentümerin sollte sich daher zu Beginn der eigenen Rückzugspläne ein realistisches Bild vom Betriebszustand machen und sich fragen: Bietet der Betrieb eine ausreichende Ertragsgrundlage für den Nachfolger bzw. die Nachfolgerin? Hat das Geschäftsmodell eine Zukunft?
Häufig ist eine familieninterne Nachfolge nicht möglich, so bleibt nur der Verkauf als Alternative. Was gilt es hier zu beachten, wenn eine Stilllegung vermieden werden soll?
Steht kein Familienmitglied für die Nachfolge zur Verfügung, besteht die Möglichkeit, das Unternehmen familienextern zu übergeben – etwa durch einen Verkauf an ein anderes Unternehmen (trade sale), an eine externe Führungskraft (Management-Buy-in) oder an ein Mitglied der eigenen Belegschaft (Management-Buy-out). Das Finden eines Nachfolgers bzw. einer Nachfolgerin außerhalb der Familie kann dabei sehr zeitaufwändig sein. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Unternehmen, die eine gewisse Substanz haben, über kurz oder lang einen externen Nachfolger finden werden. Häufig befördert gerade das Fehlen eines unternehmensexternen Nachfolgers das Interesse von Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen – aber auch der eigenen Kinder – an einer Nachfolge.
Insbesondere ein Verkauf des Unternehmens an einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin, der oder die am besten zudem über Führungserfahrung verfügt, kann in einigen Fällen empfehlenswert sein. Hierdurch ergeben sich Vorteile, die der familieninternen Übergabe ähnlich gelagert sind: Schließlich lässt sich die Eignung der Nachfolgenden durch die langjährige Zusammenarbeit gut beurteilen. Auch kennen sie die internen Strukturen und das wirtschaftliche Potenzial des Unternehmens. Entsprechend sind sie eher als außenstehende Kaufinteressenten gewillt, einen adäquaten Kaufpreis zu leisten. Hinzu kommt, dass eine Übergabe an eine interne Führungskraft abseits der Öffentlichkeit vorbereitet und diskret umgesetzt werden kann. Da interne Führungskräfte mehr oder weniger direkt für eine Nachfolge im Unternehmen zur Verfügung stehen, ist diese Nachfolgeform schnell zu realisieren.
Was sollte ein Übergeber beachten, um handlungsfähig zu bleiben?
Wer sich allein darauf verlässt, dass der Sohn oder die Tochter am Ende die Nachfolge schon antreten wird, verpasst unter Umständen, rechtzeitig einen alternativen Nachfolger aufzubauen. Auch ist die Suche nach einem externen Interessenten häufig mehr vom Zufall bestimmt als von einer gezielten Strategie. In manchen Bereichen, wie beispielsweise im Handwerk, sowie in ländlichen Regionen, in denen sich viele Unternehmer und Unternehmerinnen ohnehin mit einem Fach- und Führungskräftemangel konfrontiert sehen, dürfte auch die Suche nach potenziellen Käufern langwieriger werden. Ebenso darf man nicht vergessen, dass Verkaufsverhandlungen unter einem deutlich besseren Stern stehen, wenn sie nicht unter Zeitdruck erfolgen müssen. Es empfiehlt sich daher, sich bereits fünf bis zehn Jahre vor dem geplanten Ausscheiden mit der Frage auseinandersetzen, wer das Familienunternehmen übernehmen soll. Dadurch kann unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher, finanzieller und rechtlicher Aspekte sowie persönlicher und familiärer Bedürfnisse eine Entscheidung getroffen und vorbereitet werden. Auch ist es empfehlenswert von dem Informations- und Beratungsangebot der Kammern, der Verbände oder auch anderer Institutionen wie dem RKW BW Gebrauch zu machen. Denn die wenigsten Unternehmer haben Erfahrung mit einer Nachfolgeregelung. Daher ist es wichtig, sich rechtzeitig mit Experten in diesem Feld über die eigenen Übergabepläne auszutauschen und zu hinterfragen, ob diese realistisch und chancenreich sind. Besonders Inhaber und Inhaberinnen kleinerer Betriebe, die familienintern keine Nachfolger und Nachfolgerinnen haben und/oder mit einer mangelhaften Ertragslage konfrontiert sind, sollten dafür sensibilisiert werden, dass ein späterer Unternehmensverkauf schwierig werden dürfte und daher keine verlässliche und alleinige Säule der späteren Altersvorsorge sein sollte. Gelingt der Unternehmensverkauf dennoch, dann stellt der Verkaufspreis eine zusätzliche Einnahme neben alternativen Einkünften dar.
Für den vergangenen Fünf-Jahres-Zeitraum hatte das Institut für Mittelstandsforschung geschätzt, dass zwischen 2018 und 2022 insgesamt in rund 150.000 Familienunternehmen Übergaben anstehen, von denen rund 2,4 Millionen Beschäftigte betroffen sind. Was ist Ihre vorläufige Prognose für die nächste Fünfjahresschätzung?
Da wir nicht in die Glaskugel blicken, sondern die Entwicklung seriös schätzen, muss ich Sie leider noch um etwas Geduld bis Ende dieses Jahres bitten.
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