Digitaler Vertrieb? 2020 wurde das landauf, landab ein Riesen-Thema. So auch beim Werkzeugsystem-Hersteller Wohlhaupter in Frickenhausen (Kreis Esslingen). Das Unternehmen machte seine Vertriebler gezielt fit – und wählte als Partner dafür das RKW Baden-Württemberg: Das Vertriebsteam wurde in zwei Modulen geschult. Danach folgte eine weitere Schulung für Beschäftigte aus anderen Bereichen, die ebenfalls regelmäßig mit Videokonferenz-Tools arbeiten. Geschäftsführer Frank-Michael Wohlhaupter nahm selbst teil und ist zufrieden: „Ich gehe auch fest davon aus, dass die Inhalte uns länger begleiten werden als nur für die Zeit der Pandemie.“

Das 1929 in Stuttgart gegründete Formen- und Werkzeugbau-Unternehmen hat einen guten Namen: 1939 brachte es einen Plan- und Ausdrehkopf (UPA) auf den Markt, der in der Fertigung vielerorts nur schlicht „Wohlhaupter“ genannt wird – damit erwirtschaftet das Unternehmen bis heute etwa ein Prozent seines Umsatzes. Weltweit bekannt ist die Marke zudem für innovative modulare Werkzeugsysteme für Bearbeitungszentren, Dreh- und Fräszentren. Neben Plan- und Ausdrehköpfen zählen auch Einstechköpfe, Spannzeuge sowie individuelle Lösungen zum Programm. Am Hauptsitz Frickenhausen sind es rund 130 Beschäftigte.

Vor der Pandemie arbeitete das Vertriebsteam von Wohlhaupter wie viele andere auch: Erfahrene Vertriebler mit über die Jahre gewachsenen Kundenbeziehungen waren häufig unterwegs. Der erste Lockdown und alle folgenden Einschränkungen zwangen das Team dazu, neue Wege zu gehen. Auch bei Wohlhaupter verlegte man sich auf die digitalen Kanäle. In den ersten Phasen wurde meist improvisiert, man brachte sich das Nötige selbst bei. Dass manches noch besser und professioneller ginge, war am Ende der Auslöser dafür, dass die Geschäftsführung Kontakt suchte zum RKW Baden-Württemberg. Das RKW BW bietet regelmäßig offene Schulungen für digitalen Vertrieb an und machte für Wohlhaupter auch die gewünschten internen Trainings möglich.

Technik und Menschliches

RKW BW-Fachberater Jochen Schmidt passte die Schulung an die Fragen und Wünsche von Wohlhaupter an. Im ersten Modul war die Technik ein großer Schwerpunkt: „Es gilt auf ein paar wenige Dinge zu achten“, sagt Schmidt: „Kamera, Mikrofon, Hintergrund. Die Vorbereitung ist wichtig, ein Technik-Check. Man sollte dafür sorgen, dass alles doppelt abgesichert ist. Mit Präsentationen kann man auch online gut arbeiten, sollte sie aber etwas anders gestalten; darauf achten, dass es nur wenige Folien sind. Wenig Text, viel Bilder, viel Aussagekraft! Was ich in Videokonferenzen besonders wichtig finde: dass man immer nach zwei bis vier Folien unterbricht und einander wieder sieht.“ Auch Whiteboards lassen sich gut einbinden. Aber was ist eigentlich, wenn der Kunde ein anderes Konferenztool nutzen will oder muss – und sich Vertriebler kurzfristig darauf einstellen sollen? Und wie akquiriert man Neukunden über digitale Kanäle?

RKW BW-Fachberater Schmidt achtet auf menschliche Aspekte. Auf beiden Seiten: eigene Bedenken und Hemmschwellen überwinden – und ebenso auch die des Kunden, wenn es dort welche gibt. Am besten klärt man im Vorfeld: Ist mein Gegenüber denn vertraut mit dem Tool, fühlt er sich damit wohl? Und falls nicht, wie kann man helfen? „Ich denke, man kann skeptische Kunden durchaus auch animieren: Komm, lass dich aufs Experiment Videokonferenz ein“, erklärte Jochen Schmidt in der Schulung. „Vielleicht ist es nötig, jemandem Ängste zu nehmen. Vielleicht hilft eine Einführung unter vier Augen?“

Austausch und Impulse

Zwischen dem ersten und zweiten Modul lagen einige Wochen, so dass beim zweiten Termin bereits erste Erfahrungen mit neuen Arbeitsweisen besprochen werden konnten. Generell hatte der Trainer seine ebenfalls digitalen Schulungsmodule so gebaut, dass es viel Aktivität und Diskussion gab, Kleingruppenarbeit und kleine Präsentationen. Geschäftsführer Frank-Michael Wohlhaupter fiel auf: „Die einen tun sich ja leichter, anderen fällt es schwerer. Die Leute haben außerdem unterschiedliche Ansprüche an sich selbst. Gerade der Austausch war nützlich. Jeder aus der Runde hat sich eingebracht mit eigenen Fragen und Themen. So ist ein Dialog entstanden innerhalb des Teams, man hat einander Impulse gegeben. Viele haben erzählt, was sie sich selbst beigebracht hatten. Das haben wir auch gemeinsam diskutiert und darauf abgeklopft, was funktioniert und was eher nicht.“

Von Jochen Schmidt gab es Hinweise, wie man in der digitalen Kommunikation die richtige Atmosphäre schafft: „Ich finde, man kann einen Kunden durchaus wie einen Freund behandeln. Es stellt sich ja die Frage, ob es immer einen Grund geben muss, um jemanden anzurufen. Unter Freunden braucht man keinen solchen Grund. Da ist es wichtig, dass man sich interessiert für andere Menschen, auch ohne konkrete Verkaufsthemen im Gepäck. Nahbarkeit finde ich wichtig, Hemdsärmeligkeit. Im Gespräch können Geschäftsansätze entstehen. Vielleicht kann man gute Lösungen anbieten für Probleme, die der Kunde gerade vor sich herschiebt.“

Vertrieb der Zukunft

Immer mit im Raum standen Zukunftsthemen. Wie sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus, worauf sollte man sich einstellen? „Es zeichnet sich ja bereits ab“, sagt Jochen Schmidt vom RKW BW: „Vertrieb wird sich nach Corona ändern, wird nicht zurückkehren zu dem Zustand, der vor der Pandemie herrschte.“ Aus seiner Warte ist klar: Die Kompetenzen, die Vertriebler heute brauchen, ändern sich gerade. Und das liege nicht nur an Corona. Er prognostiziert: „Es wird einen Mix geben aus beiden Welten.“

Ein Thema, das auch Frank-Michael Wohlhaupter beschäftigt, über die Vertriebsfragen hinaus. Die Wohlhaupter GmbH gehört seit 2016 mehrheitlich zur amerikanischen Allied Machine & Engineering Corp. Frank-Michael Wohlhaupter ist ein Großneffe des Gründers und nach wie vor Geschäftsführender Gesellschafter. Der digitale Austausch gehört innerhalb der internationalen Gruppe zum Alltag. Neben der Muttergesellschaft in den USA gibt es ein Schwesterunternehmen in Großbritannien. Vor Corona gab es regelmäßig Präsenztermine, seither nicht mehr, der Turnus für die Treffen blieb. Auch er sagt: „Es wird nach Corona nicht mehr alles werden wie früher, mit Präsenzveranstaltungen und Besuchen. Die Methoden werden sich mischen. Jedes Unternehmen muss für sich selbst herausfinden, wo und wie der gute Mix funktioniert.“

Einige Wochen nach den Vertriebsschulungen trainierte Jochen Schmidt auch mit Produktmanagern, Team- und Abteilungsleitern und anderen, die regelmäßig mit Teams arbeiten. Frank-Michael Wohlhaupter zieht eine positive Bilanz: „Die Wissensstände waren sehr unterschiedlich. Darum war es für die einen vor allem Auffrischung und Professionalisierung, für andere war viel Neues dabei.“ Mit dem Trainer sei es gelungen, einen guten Standard festzulegen, „einen Knigge für Online-Meetings“. Und: Ein externer Experte sei immer hilfreich, wenn es darum gehe, dass man was ändern muss.

 

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