Zugang zu Innovationen, Austausch auf Augenhöhe, Aufbau von langfristigen Partnerschaften: Das ist das Ziel des Projekts „Start-up meets Mittelstand“. Das RKW BW übernimmt im Rahmen des Projektes die Rolle des Brückenbauers, der die Kooperationspartner kennt und deren Erwartungshaltung versteht und übersetzen kann. Im Interview mit RATIO kompakt gibt die RKW BW-Projektmanagerin Besiana Sejdiu Einblick.

Um diese unterschiedlichen Lebensentwürfe zusammenzubringen benötigt man neben Empathie auch eine gewisse „interkulturelle Managementkompetenz“.

- Besiana Sejdiu, RKW BW-Projektmanagerin

RATIO kompakt: Liebe Besiana, als Projektmanagerin des RKW Baden-Württemberg vertrittst Du das Thema „Start-up meets Mittelstand“. Was verbindest Du persönlich mit diesem Thema, welche Aspekte sind dir dabei besonders wichtig?

Besiana Sejdiu: Ich bin glücklich, das Projekt beim RKW BW weiter vorantreiben zu dürfen. Ich selbst hatte mit dem Thema Gründung bereits einige Berührungspunkte: So war ich seit meiner Jugend von Verwandten und Bekannten umgeben, die den Weg in die Selbstständigkeit gewagt haben. Während meines Studiums war ich dann in Start-up-Projekten von Studierenden involviert und habe als Werkstudentin Start-up-Luft geschnuppert.

Persönlich ist mir daran gelegen, diese beiden „Welten“ zusammenzubringen und die nach wie vor bestehenden Vorurteile aus dem Weg zu schaffen: Beispielsweise, dass bei den einen Start-up-Hipster den ganzen Tag Tischkicker spielen, während die anderen sich in veralteten, ineffizienten und gar umweltbelastenden Prozessen aufreiben. Ich finde es eine spannende Herausforderung, die für beide Seiten bestehenden Potenziale zu erkennen und zu nutzen!

„Start-up meets Mittelstand“ ist ein Projekt, das vom RKW BW e.V. auf den Weg gebracht worden ist. Welches Ziel hat sich der Verein des RKW BW gesetzt?

Das RKW BW versteht sich als Impulsgeber für den Mittelstand. Das Ziel des Vereines ist es, seine Rolle als führendes Mittelstands-Netzwerk im Land auszubauen. Dabei geht es einerseits darum, die bestehenden Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Andererseits möchten wir auch aktiv dabei unterstützen, dass neue Akteure entstehen und der Mittelstand im Land, aber auch der Verein, durch innovative Start-ups eine „Blutauffrischung“ erhalten. Spannender Fakt: Dazu hat der RKW BW e.V. beispielsweise in den letzten Jahren mit einem sechsstelligen Betrag das Projekt „Exi-Gründungsgutscheine“ unterstützt.

Im aktuellen Projekt sind beide Zielgruppen gleichermaßen im Fokus: „Start-up meets Mittelstand“ ist auf eine nachhaltige Win-win-Partnerschaft ausgelegt. Dabei ist es nicht unsere Absicht, die fünfunddreißigste digitale oder analoge Matching-Plattform aufzubauen. Zahlreiche Studien und wissenschaftliche Arbeiten haben sich inzwischen des Themas angenommen. Eine immer wieder getroffene Kernaussage ist dabei, dass neben dem Matching vor allem eine Betreuung bei der Ausgestaltung der möglichen Partnerschaft benötigt wird, damit ein langfristiger Nutzen für beide Seiten geschaffen werden kann. Genau darin liegt unser Ansatz!

Welche Rolle übernimmt das RKW BW, was sind Deine konkreten Aufgaben, wenn es um die Zusammenarbeit von KMU und Start-ups geht?

Spielen wir den typischen Prozess mal durch: Start-ups und Mittelständler haben die scheinbar größte Hürde, das Finden und Matchen eines potenziellen Kooperationspartners, überwunden. Beide denken, dass Sie gemeinsam etwas auf den Weg bringen können. Dann fangen aber die Herausforderungen erst an: Wo fängt man an, wer macht den ersten Schritt und öffnet sich zuerst? Um die Zusammenarbeit von KMU und Start-ups erfolgreich zu gestalten, benötigt es einen Brückenbauer, der die Kooperationspartner kennt und deren Stärken und Erwartungshaltung versteht. Diese Rolle übernehmen wir. Im Rahmen einer Kooperationsberatung bauen speziell geschulte Berater einen „Safe Space“ auf, in dem eine Vertrauensbasis geschaffen wird und alle ehrlich zueinander sein können.

Nach einer limitierten Beratungszeit – in der Praxis sollten das maximal acht Wochen sein, um die Interessen der Start-ups nach schneller Entwicklung zu berücksichtigen – wissen alle Beteiligten, wohin die Reise gehen kann. Im Worst Case stellt sich heraus, dass man noch nicht bereit für eine Kooperation ist. Oder man hat sich einfach den falschen Partner ausgesucht; in dem Fall kann die Suche nach Alternativen sehr viel zielgenauer erfolgen. Im Best Case haben so beide Seiten eine konkrete Vorstellung von dem gemeinsamen Vorhaben entwickelt und können personelle und finanzielle Ressourcen für das Vorhaben einplanen.

Damit das Rad nicht immer neu erfunden werden muss, haben wir dazu einen Qualitätsstandard für diese Beratung erarbeitet, einen Rahmen, der den Erfolg sicherstellen soll. Mit den Schulungen der Beratenden starten wir in Kürze. Im Rahmen des Projektes sollen diese Tools erprobt und weiter optimiert werden.

Damit die Leistungen für die bestehenden als auch die jungen Unternehmen erschwinglich sind, werden die Beratungen mit einer Förderung aus dem baden-württembergischen Landesprogramm Kurzberatung angeboten.

Wie kann im Idealfall die Zusammenarbeit zwischen einem mittelständischen Unternehmen und einem Start-up aussehen?

Das Spannende daran ist ja, dass es keine ideale Form einer Kooperation gibt. Das kann im Einzelfall auf eine normale Kunden-Lieferanten-Beziehung hinauslaufen, also eine befristete vertragliche Zusammenarbeit. Das kann aber auch zu einer gegenseitigen Beteiligung führen, einem Joint Venture oder einer gemeinsamen Tochtergesellschaft.

Wichtig ist, dass alle Beteiligten nicht nur das Ziel, sondern auch die konkrete Ausgestaltung der Kooperation mittragen. Das RKW BW möchte dafür sorgen, dass die organisatorischen Rahmenbedingungen für beide Seiten passen und die Umsetzung keine große Hürde darstellt.

Start-ups finden sich häufig in größeren Städten, viele mittelständische Unternehmen haben ihre Standorte eher in ländlichen Regionen Baden-Württembergs. Welches sind die größten Herausforderungen?

Es ist eine Stärke unseres Landes, dass die Wirtschaftskraft nicht zentralisiert, sondern über das gesamte Land verteilt ist. Dafür sind unzählige kleine und mittelständische Betriebe verantwortlich. Der Erfolg der Mittelständler, die nicht selten weltweite Marktnischen abdecken, hat aber auch seine Schattenseiten: Weil sie über genügend Kundenbeziehungen verfügen, legen sie wenig Wert auf Sichtbarkeit. Mit SEO-Aktivitäten sind sie zurückhaltend, in den sozialen Medien oftmals gar nicht erst vertreten. Die Sichtbarkeit dieser „Perlen“ ist durchaus eine Herausforderung.

Dagegen sind die Start-ups verstärkt inmitten der großen Städte zu finden, also dort, wo sich Leben und Arbeiten für junge Menschen einfach gut verbinden lässt. Dank Agilität und mobilem Arbeiten sind sie heute mal hier und morgen dort. Untereinander sind sie digital bestens vernetzt, während ein Außenstehender die ganzen Strukturen gar nicht richtig durchschauen kann. Ich bin in einem kleinen Dorf an der Grenze zu Bayern aufgewachsen. Die dortigen Betriebe haben ganz sicher noch nichts von Acceleratoren oder Inkubatoren in Stuttgart oder Mannheim gehört.

Welche Chancen siehst Du für die Gründerszene und mittelständische Unternehmen, welchen Nutzen haben KMU und Start-ups von diesem Projekt?

Für die KMU liegen die Chancen in einem frischen Mindset, innovativen Impulsen oder auch Geschäftsmodellen, kreativen Problemlösungstechniken, dem Zugang zu Technologien oder aber auch einfach nur an der Steigerung der Arbeitgeberattraktivität. Wer sich innovativ zeigt und sich in der Welt der Jungen bewegt, der wird ganz anderes wahrgenommen als ein 80-jähriges Traditionsunternehmen in dritter Generation.

Für die Start-ups kann der Zugang zu Kunden und Pilotanwendungen unbezahlbar sein. Gegenüber der Kooperation mit Konzernen kommen den Jung-Unternehmerinnen und -Unternehmern hier die Kontakte mit den unmittelbaren Entscheidungsträgern und kurze Entscheidungswege sehr entgegen. Ein ganz wichtiger Aspekt, den die Start-ups von den Mittelständlern lernen können, ist Resilienz, also die Fähigkeit, mich auch unter widrigen Bedingungen lange über Wasser halten zu können.

Mit welchen Institutionen und Experten arbeitet das RKW BW beim Projekt „Start-up meets Mittelstand“ zusammen?

Hier kommt uns unser über Jahrzehnte gewachsenes Netzwerk zugute: Mit zahlreichen Acceleratoren, regionalen und branchenspezifischen Gründungsinitiativen und Akteuren aus der Gründer-Community, die zum Großteil selbst Matchings anbieten, stehen wir in Kontakt. Auch die IHKn im Land planen in der zweiten Jahreshälfte ein virtuelles, überregionales, branchenspezifisches Matching-Format „Start-up trifft Mittelstand“, auf dem unsere Leistung ideal aufsetzen könnte.

Fachlich tauschen wir die Projektergebnisse mit den Kolleginnen und Kollegen vom RKW-Kompetenzzentrum in Eschborn aus. Natürlich bringen wir aber auch unsere Fachberaterkontakte hier mit ein. Zudem sind wir glücklich, für die Beraterqualifikation mit Prof. Manfred Bornemann einen kompetenten Partner an Bord zu haben.

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