Gemeinsam mit mehreren krisenerfahrenen Managern und Unternehmern hat es sich unser Beratungsunternehmen zur Aufgabe gemacht, Unternehmen vor und während einer Krise zu unterstützen.
-Alexander Schaeff, Geschäftsführer der Schaeff Group
Sehr geehrter Herr Schaeff, Sie sind einerseits Unternehmer, andererseits Berater. Eine spannende Konstellation. Sagen Sie bitte kurz ein paar Worte zu sich.
Es ist nicht mein Verdienst, dass ich auf eine lange Reihe von Ahnen zurückblicken kann, die seit dem 16 Jahrhundert immer als Unternehmer selbstständig waren, zunächst als Schmiede, dann als Besitzer von Eisenhämmern. Meine Familie hat zwischen dem 2. Weltkrieg und dem Anfang der 2000er hauptsächlich Baumaschinen hergestellt, ich selbst bin Mitte der 90ger Jahre - nach Maschinenbau- und BWL-Studium und ersten Erfahrungen bei einem großen Baustoffhersteller - zum Familienunternehmen dazugestoßen. Seit der Veräußerung dieser Aktivitäten, beschäftige ich mich häufig mit Unternehmen, die sich in einer Krise befinden, seit Anfang letzten Jahres auch wissenschaftlich. Diese praktischen und theoretischen Erkenntnisse waren der Anlass, dass ich mich Anfang 2021 mit mehreren krisenerfahrenen Managern und Unternehmern zu einem Beratungsunternehmen zusammengeschlossen habe, dessen Aufgabe es ist, Unternehmen vor und während einer Krise zu unterstützen - vor der Krise in Sachen Krisenprävention und -vermeidung, während der Krise in der Analyse der Krisenursachen, Erarbeitung von Gegenmaßnahmen und anschließend deren Umsetzung.
Herr Schaeff, wir führen heute dieses Interview, da Sie ein spannendes Projekt vorantreiben „Frühindikatoren für Krisen bzw. Insolvenzen in KMU“. Warum haben Sie sich für dieses Thema entschieden?
Das Projekt beschäftigt sich mit der Frage welche internen Bedingungen, ggf. auch in Kombination miteinander, in einem Unternehmen vorliegen müssen, damit sich eine Krise entwickelt. Diese über 30 untersuchten internen Krisenursachen werden gegen externe Schocks abgegrenzt, die zwar die Auslöser einer Krise sein können, meist aber nicht deren Ursachen sind. Die Krisenursachen sind deshalb diejenigen, die vom handelnden Management beeinflusst werden können.
Im Tagesgeschäft war selten Zeit, über die Krisenursachen eines konkreten Falls zu reflektieren, da man sich meist schon wieder mit dem nächsten Projekt beschäftigte. So entstand die Idee, die Krisenursachen in Zusammenarbeit mit einer wirtschaftswissenschaftlichen Universität zu analysieren und zu versuchen Muster abzuleiten.
Sie haben insgesamt 42 Unternehmen befragt. Können Sie uns etwas zu der Art und Struktur der Unternehmen und der Interviewpartner sagen?
Die 42 beleuchteten Fälle waren allesamt in eine Krise geraten, wobei der Krisenverlauf variiert: von Krisenbewältigung bis zum finalen Scheitern und dem Ausscheiden aus dem Wirtschaftsleben durch Insolvenz oder Zerschlagung. Die Bandbreite der untersuchten Fälle und Branchen ist groß, so dass auf einer aussagekräftigen Basis aufgesetzt werden kann - sowohl was das Unternehmensalter, als auch die Firmengröße anbetrifft. Etwa die Hälfte war eigentümer-, die andere Hälfte fremdgeführt. Alle Interviewpartner hatten direkt mit der Krisenbewältigung in den untersuchten Fällen zu tun und waren entweder im Management, einem Kontrollorgan oder als Berater während der Krise tätig.
Gibt es Muster in der Krisenentwicklung, die erkennbar waren?
Die Interviews wurden mittels eines strukturierten Fragebogens und anschließenden Tiefeninterviews geführt. Die Fragebögen wurden im Anschluss mit einem Algorithmus ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Auswertung weisen tatsächlich klare Muster auf, welche Bedingungen zu einer krisenhaften Entwicklung im Unternehmen führen können.
Warum geraten Unternehmen in Krisen?
Aus der oben genannten, bisher unveröffentlichten, Studie geht hervor, dass Krisen bestimmten Verlaufsformen folgen. Hiernach werden durch das Management eines Unternehmens in einer Zeit, in dem es dem Unternehmen vergleichsweise gut geht, fehlerhafte Entscheidungen getroffen, oder notwendige Anpassungen unterlassen. Diese Fehlentwicklungen werden teilweise lange nicht realisiert und können – insbesondere, wenn mehrere dieser Krisenursachen gleichzeitig auftreten – eine toxische Wirkung entfalten. Zu einem bestimmten Zeitpunkt ist diese Entwicklung dann nicht mehr zu ignorieren – bei guten Unternehmen früher, beispielsweise da entsprechende KPIs beobachtet werden, bei anderen später. Was im Unternehmen nach dem Erkennen der Krise – und Anerkennen dessen, dass es sich tatsächlich um eine solche handelt (!) - geschieht, ist maßgeblich dafür, ob die Krise gemeistert werden kann. Denn zu diesem Zeitpunkt werden vom operativen Management häufig wiederum Fehler gemacht, entweder, da ungeeignete Maßnahmen zur Krisenbekämpfung verabschiedet werden, oder da die verabschiedeten Maßnahmen nicht mit dem notwendigen Fokus umgesetzt werden können: die häufig krisenunerfahrene Unternehmensführung hat weder die Kenntnis, noch die Zeit eine Krisenbekämpfung erfolgreich selbst durchzuführen.
Was waren die Indikatoren für eine Krise aus Ihrer Untersuchung?
Die Anzeichen, dass sich das Unternehmen in einer Krise befindet, können vielfältig sein und werden anfangs leicht ignoriert. In der Frühphase der Krise beginnt die Suche nach deren Ursachen auch meist außerhalb des Unternehmens oder bei bestimmten betroffenen Personen, beispielsweise wenn Mitarbeiter das Haus verlassen, Schwierigkeiten mit Banken auftreten oder die Unternehmensführung häufig wechselt. Im weiteren Verlauf kommt es regelmäßig zu einem Rückgang von Anfragehäufigkeit und - umfängen und in Folge rückläufigen Auftragseingängen. In der Spätphase werden dann bestimmte messbare KPIs (G&V- und Bilanzrelationen) deutlich verletzt und es tretende Liquiditätsengpässe auf.
Was waren die Hauptfaktoren für die Krise und gab es bei diesen Ursachen eine Rangfolge der Bedeutung? Sind diese miteinanderverbunden oder bedingen sich?
Da es sich um noch unveröffentlichte Erkenntnisse handelt, muss ich an dieser Stelle etwas zurückhaltend sein. Soviel sei jedoch erwähnt: von der Gesamtheit der untersuchten Krisenursachen erweisen sich etwa ein Dutzend als Hauptkrisentreiber und andere, mit denen man im Vorfeld fest gerechnet hatte, fallen aus der Untersuchung heraus. Und, ja, der verwendete Algorithmus ermöglicht eine Rangfolge der Krisenursachen. Hiernach haben die Abläufe entlang der Wertschöpfungskette, eine schlecht ausgebildete Belegschaft (beides Aspekte, von denen jedes Unternehmen behauptet, das Möglichste getan zu haben), das fehlende Wissen, wie eine Krise bekämpft werden kann und fehlende Umsetzungsstärke in dieser Reihenfolge den stärksten Einfluss auf einen Krisenverlauf.
Darüber hinaus konnten aus den Tiefeninterviews Aspekte herausdestilliert werden, die sich im Sinne eines roten Fadens, durch nahezu alle der betrachteten Fälle zogen. Um nur einige zu nennen sind dies:
- Hybris und Selbstüberschätzung, beispielsweise aufgrund großer vergangener Erfolge, machen blind für Fehlentwicklungen
- Fremdmanager gehen regelmäßig größere Risiken ein, als der Unternehmer
- Geschäftsausweitungen, bei gleichzeitigen Problemen im Kerngeschäft, gehen schief
- Kundennähe ist ein gutes Konzept eine Krise langfristig zu vermeiden
Nach den Erkenntnissen Ihres Projektes – welche Maßnahmen würden Sie einem Mittelständler empfehlen, um Krisensituationen zu vermeiden?
Zur Krisenvermeidung empfehle ich die Einführung eines unabhängigen und komplementären Beirats, die Festlegung auf harte und aussagekräftige KPIs und die regelmäßige Durchführung einer Standortanalyse mittels eines Independent Business Reviews, beispielsweise durch die GUSS – Consulting. Darüber hinaus ist es sicherlich hilfreich, wenn man die Bedingungen, die andere Unternehmen in eine Krise geführt haben, kennt und diese für sein eigenes Unternehmen zu vermeiden sucht.
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