Personalentwicklung geschieht, ob man möchte oder nicht. Jede arbeitsprozessbezogene   Veränderung stößt Entwicklungen und Anpassungsprozesse bei den involvierten Menschen und Teams an. Nun wissen aber alle, die solchen betrieblichen Veränderungsprozessen beigewohnt haben, dass diese organischen Anpassungen nicht immer und unbedingt im Sinne des Unternehmens sind: Ein aus strategischen Gesichtspunkten heraus angepasster Prozess stößt häufig auf ein „das haben wir immer schon so gemacht“ und kreative Lösungen zum Umgehen des Prozesses. Oder eine um das Wohl der Abteilung besorgte Führungskraft startet eine Weiterbildungsinitiative, die die geschäftlichen Interessen der übrigen Fachbereiche nicht ausreichend reflektiert. Es gibt also gute Gründe, Personalentwicklung nicht ausschließlich sich selbst zu überlassen.

Möchte man sich nun also strategisch mit Fragen der Personalentwicklung befassen, hat man es im Grunde mit zwei Prozessen zu tun: mit einem geschäftlich-strategischen Prozess, in dem man sich auf Ziele und Mittel zur Zielerreichung einigt, und mit einem personalbezogenen Prozess, in dem Ziele und Mittel in die Sprache der Personalabteilung übersetzt und in Maßnahmen operationalisiert werden. Beides kann in einem kompakten integrierten Prozess gelingen und einiges von Wert erreichen: Man weiß, wohin es gehen soll und kann (von unterschiedlichen Orten aus) genau die Maßnahmen wählen, die darauf einzahlen. Daraus ergeben sich Effizienzgewinne und – bezogen auf den Gesamtprozess – Kostenvorteile. Auch Mitarbeiterführung kann aus diesem Geschehen Orientierung gewinnen, denn wer weiß, wo es lang geht, spricht anders miteinander.

Strategische Personalentwicklung – idealtypischer Ablauf

Ein Blick in die Praxis

Strategische Personalentwicklung ist ein facettenreiches Thema, bei dem man in verschiedenen Wissensdisziplinen fit sein darf. Darum freuen wir uns besonders, dass Ramona Stehle, RKW Baden-Württemberg, mit uns über Ansätze und Praxiserfahrungen spricht.

RKW: Liebe Ramona, fangen wir doch gleich mit einem Knackpunkt an: Ist Personalentwicklung nicht etwas, das von Arbeitsplatz- und Prozessnähe profitiert? Warum ist es in Deiner Erfahrung so wichtig, Personalentwicklung strategisch und übergreifend zu betrachten?

Ramona Stehle: Das muss gar kein Widerspruch sein und ist auch kein „rocket science“: Wer eine Orientierung hat, wohin die Reise geht, handelt anders. Das muss ja überhaupt nicht bedeuten, dass man das „Hier und Jetzt“ gleich aus den Augen verliert. Wir beobachten allerdings, dass sich Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle viel schneller wandeln als noch vor einigen Jahren. Daher ist ein Prozess so wichtig, in dem man gemeinsam in die Zukunft schaut und daraus die Leitplanken für die Personalentwicklung festlegt. Daraus folgt Handlungsfähigkeit, berücksichtigt man in seinen Überlegungen die Anforderungen und Wünsche der Beschäftigten, profitieren darüber hinaus auch Motivation und Bindung. Kurzum: Viele Unternehmen profitieren heute von einer bewussten und mittel- bis langfristigen Ausrichtung, das geht nur mit handlungsfähigen und motivierten Mitarbeitenden. Und dafür braucht es eine Personalentwicklung mit Weitsicht, statt Gießkanne.

Das klingt einleuchtend. Verändert sich damit nicht auch die Personalführung an sich?

Genau. Das fängt schon mit den Entwicklungsgesprächen an. Ist festgelegt, worauf es strategisch ankommt, kann man eben auch genau darüber sprechen. Wenn es darum geht, etwas zu bewegen, ist dieser Umstand natürlich sehr wertvoll. Wichtig ist aber noch etwas anderes: eine strategische Personalentwicklung, wie wir sie verstehen, arbeitet mit Stellenclustern, den sogenannten Jobfamilien. Damit wird Personalentwicklung etwas, das nicht am Einzelfall, sondern am übergreifenden betrieblichen Nutzen orientiert ist.

Spannend. Wie kann so ein Prozess ausschauen, in dem man eine Personalentwicklungsstrategie entwirft?

Alles beginnt auf der strategischen Ebene. Abhängig von der bestehenden Strategiearbeit werden strategische Unternehmensziele benannt, revidiert oder entwickelt. Dies im Hinterkopf kann man – immer noch auf der strategischen Ebene – die Ziele der Personalentwicklung ausarbeiten. Dabei untergliedern wir die Ziele immer für die unterschiedlichen Abteilungen und Jobfamilien. Das gewährleistet eine Flughöhe, die orientierend genug, aber nicht ausufernd komplex ist. Von dort aus geht es in die taktische Ebene: Welche Personalentwicklungsmaßnahmen sind wo und für wen strategisch geboten? Aber auch was ist leistbar?

Und von dort geht es dann ins Operative, richtig?

Richtig. Es geht mit Mitarbeitergesprächen weiter, in denen quasi Soll und Haben abgeglichen wird. Das ist Job der zuständigen Führungskräfte, aber auch die Personalabteilung kann „loslegen“. Sie kann Führungskräfte beraten, Schulungen planen und konzipieren, Dienstleister recherchieren und mit ihrer Koordinationsarbeit beginnen. Zum Operativen gehört über die Durchführung hinaus aber immer auch die Evaluation. Dabei geht es nicht (nur) um Rechnen, sondern um Plausiblisierungen. Ob eine Maßnahme erfolgreich war, kann man etwa mithilfe von Feedback der Mitarbeitenden zur Maßnahme selbst, vor allem aber mittels des Feedbacks der Führungskräfte bestimmten, ob die Maßnahme – einfach formuliert – etwas gebracht hat.

Kannst Du die Methodik vielleicht an einem Beispiel illustrieren?

Gerne, ich erinnere mich an einen Fall, in dem es darum ging, das strategische Ziel „Die Mitarbeitenden sollen fortschrittlich und motiviert arbeiten“ zu operationalisieren. Aus diesem Unternehmensziel wurde dann das Personalentwicklungsziel abgeleitet „dass der Führungsstil den Anforderungen der modernen Arbeitswelt entsprechen und auf dem Stand der Technik sein soll“. Als Maßnahme wählte man daraufhin die Einführung eines Learning Management Systems (LMS) einschließlich der Entwicklung entsprechender Inhalte und der Durchführung der notwendigen IT-Schulungen. Zur Umsetzung gehörte dann die Auswahl des LMS, der IT-Schulungen, die Identifikation benötigter Inhalte, die Auswahl externer Dienstleister, Gesamtkoordination sowie die Organisation der Schulungen mit dem Dienstleister und das Entwerfen von Feedbackbögen und eines Evaluationskonzepts anhand von Zugriffszahlen.

Das klingt ja beinahe schulbuchmäßig. Lass uns doch noch ein wenig in die Tiefen und Untiefen der Praxis einsteigen. Worauf ist zu achten? Welche Hebel und Stolpersteine gibt es?

Zuerst einmal betrifft eine strategische Personalentwicklung im Grunde das ganze Unternehmen. Daher sind ein eindeutiger Auftrag, klare Ziele von Beginn an und eine solide Meilensteinplanung Gold wert. Der Prozess profitiert erheblich, ist die Personalabteilung bei allen strategischen Abwägungen zum Thema dabei. Sobald man ins Handeln kommt, ist es wichtig, auf der Linie zu bleiben, also die Meilensteinplanung zu verfolgen, kontinuierlich zu motivieren und den Prozess im Unternehmen zu verankern. Wir empfehlen bei der Konzeption einer Personalentwicklungsstrategie ein umfassendes Bedarfsverständnis. Man sollte also nicht unbedingt bei den fünf übergreifend wichtigen Kompetenzen Halt machen, sondern die Besonderheiten der Abteilungen und Jobfamilien in den Blick nehmen.

Das ist eine umfangreiche Perspektive: Ist die Personalabteilung hinterher noch dieselbe wie vorher?

Mitnichten, alle Personalabteilungen, die durch einen solchen Prozess gehen, verändern ihr Profil und damit verändern sich auch die Anforderungen an die Personalabteilung selbst. Man gerät im Zweifelsfall in eine Rolle, in der es neben Administration erheblich mehr darauf ankommt, Führungskräfte zu beraten, vielleicht selbst Trainings zu entwerfen und strategisch mitzureden. Dafür braucht es oft neue methodische Kompetenzen, ein fundierteres strategisches Verständnis des Unternehmens, aber auch ausreichend Zeit, Budget und Handlungsspielraum.

Das fällt sicher nicht alles vom Himmel und erfordert neben Kompetenzentwicklung sicher auch viel Überzeugungsarbeit. Kannst Du dazu vielleicht noch einen Tipp geben?

Besonders wichtig ist der Einbezug der zweiten und womöglich dritten Führungsebene. Personalentwicklungsplanung muss genau wie die Personalentwicklung selbst von den Führungskräften getragen werden. Da hilft meist nur miteinander sprechen, unterstützen und Feedback geben. Daneben ist das interne Marketing gegenüber den Mitarbeitenden wesentlich. Dafür stehen die gängigen betrieblichen Möglichkeiten zur Verfügung: von der Mitarbeiterinformation über schwarze Bretter bis hin zu Mailings, Wikis, Plakaten und mehr.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, liebe Ramona.

Ramona Stehle ist studierte Psychologin und beschäftigt sich seit dieser Zeit mit der Arbeits- und Organisationspsychologie. Sie ist Business Expertin für Führung & Personal bei der RKW Baden-Württemberg GmbH. Dort steht sie für die Themen Führung, Personalentwicklung und Personalarbeit der Zukunft in kleinen und mittleren Unternehmen, sowie für die Weiterentwicklung und Einführung effizienter und effektiver Tools für den Mittelstand. Wissenschaftliche Erkenntnisse, Theorie und Praxis gehen bei ihr dabei Hand in Hand.

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