Wo werden Lernplattformen in KMU eingesetzt?

Die Coronapandemie und die Konjunktur mobiler Arbeitsformen haben einem Trend Vorschub geleistet, der bereits vorher spürbar war: Digitale Tools ergänzen in betrieblichen Arbeits- und Lernzusammenhängen zunehmend bewährte analoge Arbeitsweisen. In der Personalentwicklung betrifft diese Konjunktur vor allem die Verbreitung digitaler Lernplattformen, besser bekannt als Learning Management Systeme (LMS).

Gemeint sind Applikationen, die unter einer zentralen Oberfläche mehrere aufgabenspezifische Funktionen integrieren, mit denen sich verschiedene Lernszenarien unterstützen lassen. Mit einem solchen System lassen sich Standardschulungen genauso abwickeln, wie individuelle Lernwege für einzelne Mitarbeitende anlegen. In einigen Fällen können auf diese Weise Präsenzformate effizient ersetzt werden (beispielsweise standardisierte Schulungen im Zusammenhang mit dem Intranet oder zur Anwendung eines ERP-Systems), in anderen Fällen können Präsenzsettings ergänzt und mit digitalen Lernmöglichkeiten verzahnt werden (beispielsweise Führungskräftetrainings) – vorausgesetzt die Lerninhalte sind über einen spezifischen Einzelfall hinaus sinnvoll vermittelbar.

Auch wenn der Aufwand für die Einführung eines solchen Systems überschaubar bleiben kann, hängt die Entscheidung dafür oder dagegen immer von den individuellen Rahmenbedingungen ab. Insbesondere die verfolgten Ziele, die zu vermittelnden Inhalte, die bestehende Infrastruktur und auch die bereits vorhandenen Digitalkompetenzen in Personalabteilungen und Unternehmen spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Über die reinen Effizienzgewinne im Lernprozess hinaus lassen sich mit der Einführung eines LMS aber weitere Effekte erzielen, die in die individuelle Kosten-Nutzen-Entscheidung einzubeziehen sind. Dazu gehören zuerst einmal Effizienzgewinne in der Schulungsabwicklung, beispielsweise spürbar daran, dass viele E-Mails nicht mehr geschrieben werden wollen oder niemand mehr händisch Excel-Listen über die Zertifizierung von Standardschulungen pflegen muss. Daneben können Lernwege für einzelne Mitarbeitende individuell zusammengestellt werden. Last but not least können durchdachte und ansprechende digitale Lernumgebungen von Beschäftigten als Zeichen der Wertschätzung und als Symbol des Bemühens um eine moderne Arbeitsumgebung  empfunden werden.

Idealtypische Schrittfolge zur Einführung eines LMS

EinBlick in die Praxis

Die ophelis GmbH ist Produzent von Büroeinrichtungen und Partner für die Gestaltung moderner Arbeitswelten. Im Rahmen des Projektes QualiDigi hat das Unternehmen mit einem LMS für den Onboardingprozess experimentiert. Seine Erfahrungen damit teilt das Unternehmen dankenswerterweise mit uns.

RKW: Sie haben ja ihren Onboardingprozess mithilfe einer Lernplattform digitalisiert. Wie kam es dazu und was waren Ihre Beweggründe?

Ophelis: Im Rahmen des QualiDigi-Projekts haben wir verschiedene Unternehmensbereiche auf Digitalisierungspotenziale untersucht. Letztendlich haben wir uns für eine Digitalisierungsmaßnahme im Onboarding-Prozess entschieden: dort ergeben sich neue mediale Möglichkeiten, die den Onboarding-Prozess in unserem Unternehmen vereinfachen. Mithilfe einer Lernplattform sollen neue Kolleg*innen für sie relevante Informationen wie beispielsweise verschiedene Einweisungen, online abrufen können. Für den Aufbau des persönlichen Kontakts wird der Onboarding-Prozess weiterhin gezielt durch Face-to-Face-Kommunikation ergänzt. Aus unserer Sicht bringt eine digitale Einarbeitung drei entscheidende Vorteile:

  1. Durch die Möglichkeit der Kontrolle des Lernfortschritts stellt die Lernplattform eine einheitliche Wissensvermittlung sicher.
  2. Die neuen Kolleg*innen haben die Unterlagen zeit- und ortsunabhängig immer zur Verfügung und können sie bei Bedarf auch zu einem späteren Zeitpunkt nochmals bearbeiten.
  3. Trainer und Personalabteilung werden durch die Automatisierung im Onboarding-Prozess entlastet.

Wenn man etwas Neues anfängt, sind ja oft die ersten Schritte entscheidend. Wie sind Sie vorgegangen und wie haben Sie feststellen können, dass Sie auf einem guten Weg sind?

Zunächst haben wir uns einen Überblick über die verschiedenen Inhalte und Einarbeitungsunterlagen verschafft – diese überprüften wir im Anschluss auf Digitalisierungspotenzial. Einige Unterlagen standen bereits digital zur Verfügung, andere konnten mithilfe verschiedener Tools digitalisiert werden. Im nächsten Schritt ging es darum, die geeignete Lernplattform für den Onboarding-Prozess zu identifizieren. Nach einem Auswahlprozess entschieden wir uns für die Plattform Moodle. Ausschlaggebend waren insbesondere die Individualisierungsmöglichkeiten und die einfache Bedienbarkeit durch HR-Mitarbeitende und Lernende. Anschließend konnten wir erste Erfahrungen in der Praxis sammeln. Im Rahmen einer anstehenden Einarbeitung eines neuen Mitarbeitenden bereiteten wir die Inhalte eines ausgewählten Tages des Einarbeitungsplans in Moodle digital auf. Nachdem der neue Mitarbeitende den digitale Onboarding-Tag durchlaufen hatte, gingen wir in den gemeinsamen Austausch mit ihm.

Vielen Dank, dazu könnte man sagen „clever gelöst“. Was hat der neue Mitarbeiter denn für eine Rückmeldung gegeben?

Der neue Mitarbeitende fand sich auf Moodle sehr gut zurecht und konnte alle Arbeitsanweisungen selbstständig und ohne technische Schwierigkeiten befolgen. Durch die Mischung aus digitalem Onboarding über Moodle und zusätzlichen persönlichen Einarbeitungsinhalten fühlte sich der neue Mitarbeitende sehr gut betreut – und durch das selbstständige Arbeiten – auch gleich gut integriert. Gleichzeitig konnte der zuständige Einarbeitende im Anschluss auf Moodle nachvollziehen, welche Inhalte der neue Mitarbeitende bearbeitet hat, ihm ein Feedback dazu hinterlassen und die vollständige Bearbeitung bestätigen.

Das klingt nach einem erfolgreichen Ausgang. Worauf führen Sie dies zurück?

Der Praxistest war wirklich ein voller Erfolg – und hat uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aus unserer Sicht war im Nachhinein entscheidend, dass wir uns im Vorfeld genau mit den Zielen und Vorteilen, die wir mit der Plattform erreichen wollten, auseinandergesetzt haben und diese mithilfe von Moodle in der Praxis umsetzen konnten. Durch den hybriden Aufbau konnten sowohl unsere HR-Mitarbeitenden entlastet werden, als auch der neue Mitarbeitende zufriedenstellend im Onboarding-Prozess begleitet werden.

Das klingt nach einer guten Mischung aus solider Vorbereitung und pragmatischem Umgang mit einer neuen technischen Lösung. Wie geht es weiter?

Wir planen Schritt für Schritt eine Erweiterung der Plattform – dazu zählt in erster Linie die weitere Aufbereitung digitaler Inhalte. Im Austausch mit den Fachbereichen werden im nächsten Schritt die für jede Abteilung relevanten Einarbeitungsinhalte auf Digitalisierungspotenziale überprüft, anschließend von unseren HR-Mitarbeitenden digitalisiert und als Moodle-Kurs aufbereitet. Zusätzlich werden abteilungsübergreifende Inhalte wie beispielsweise die Einweisung in das Zeiterfassungssystem in einem weiteren Kurs organisiert. So können die HR-Mitarbeitenden dann zukünftig für jeden neuen Mitarbeitenden die jeweils relevanten Kurse in einem persönlichen Lernpfad zusammenstellen. Dabei ist die flexible Verwendung der Lernplattform von Vorteil: bei Bedarf können die HR-Mitarbeitenden die Kursauswahl zu einem späteren Zeitpunkt auch verändern bzw. erweitern. Die neuen Mitarbeitenden wiederum können jederzeit auf die Lernplattform zugreifen, um zu sehen, welche Inhalte sie schon bearbeitet haben und welche noch zu bearbeiten sind. Bei Bedarf können sie die digitalen Onboardings zudem jederzeit nochmal durchlaufen.

Do´s & Don´ts

  • Ist es das, was ich will? Beschäftigen Sie sich sorgfältig mit den Fragen, welche Ziele Sie mit der Einführung eines LMS beabsichtigen und ob die Einführung ausgehend von Ihrer Zielsetzung ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis verspricht.
  • Planen oder Handeln? Legen Sie sich ausgehend von einer sorgfältigen Bestandsaufnahme einen groben Fahrplan zurecht und kommen – wie im Beispiel skizziert – rasch ins Handeln.
  • Welches LMS ist das richtige? Prüfen Sie die Landschaft an potenziellen digitalen Lernumgebungen sorgfältig oder fragen jemanden, der sich damit auskennt. Der Markt kennt unterschiedlichste Angebote, die teils kostenlos, teils kostenpflichtig sind. Manche möchten vor Ort gehostet werden, andere sind cloudbasiert. Nutzen Sie kostenloste Testzugänge, um sich einen Eindruck zu verschaffen, schließlich können unbedarfte Nutzerinnen und Nutzer sich meist wenig unter den Angebotsbeschreibungen vorstellen.
  • Können wir das? Stellen Sie die notwendigen digitalen Kompetenzen in Ihrer Personalabteilung sicher, gegebenenfalls über geeignete Schulungen.
  • Was ist gut für unsere Mitarbeitenden? Behalten Sie neben den geschäftlichen Entscheidungskriterien immer auch die Endnutzer im Blick, schließlich steht und fällt der Erfolg eins LMS mit der betrieblichen Akzeptanz: was gefällt, was nicht? Wo sehen die Anwenderinnen und Anwender Nachbesserungsbedarf? Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Usability – ist das Angebot leicht und nachvollziehbar zu bedienen?
  • Wir können wir die Akzeptanz positiv beeinflussen? Das LMS ist mehr als Dateiverwaltung. Daher sind gut orientierende Lernpfade ebenso wichtig, wie eine ansprechende Aufmachung. Dazu kann eine persönliche Note gehören, das Nutzen der medialen Möglichkeiten des Systems, aber auch das Schaffen von Interaktionsmöglichkeiten oder spielerischer Elemente. Ein gutes und einfaches Beispiel wären kurze informierende Handyvideos von Kompetenzträgerinnen und Kompetenzträgern mit einem anschließenden Quiz. Der Fantasie sind im Rahmen der Möglichkeiten und die Lernziele im Blick aber nur wenig Grenzen gesetzt.
  • Wie sollen wir die Inhalte aufbereiten? Experimentieren Sie mit Ihren Formaten, ihrer Aufmachung und Konfektionierung. In vielen Fällen konnten wir beispielsweise beobachten, dass zehn dreiminütige Videoclips besser ankommen als ein dreißigminütiger Clip (Micorlearning). Beziehen Sie die Beobachtungen Ihrer privaten Nutzungserfahrungen ein.
  • Was kann ein LMS nicht? Behalten Sie die Grenzen digitaler Lernumgebungen im Blick. Nur sehr wenige Personalentwicklungsangelegenheiten eignen sich für rein digitale Lernsettings, sorgen Sie also im besten Fall für eine gute Mischung aus kontaktvollen und digitalen Lernangeboten.
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