Manche Unternehmen in Baden-Württemberg klagen über eine eingeschränkte Kreditvergabe. Die Entwicklung bei der Vergabe von Förderkrediten zeigt jedoch: Trotz Wirtschaftskrise gibt es über die Hausbanken eine große Nachfrage von Seiten der mittelständischen Unternehmen, die in aller Regel auch bedient werden kann. Klaus Thuß, Leiter des Bereichs Wirtschaftsförderung bei der L-Bank betont im Interview mit RATIO KOMPAKT: „Nach unserem Allzeithoch in 2022 sind wir auch im laufenden Jahr auf Rekordkurs.“
RATIO KOMPAKT: In Gesprächen mit Mittelständlern muss das RKW BW immer wieder feststellen, dass die wirtschaftliche Lage der Betriebe infolge der Pandemie, der Energiekrise, der Lieferkettenproblematik, der Inflation etc. nach wie vor sehr angespannt ist. Wie wirkt sich das bei der L-Bank auf die Kreditnachfrage aus?
Klaus Thuß: Bei unseren Kunden ist die wirtschaftliche Lage doch sehr unterschiedlich. Einerseits gibt es Unternehmen, die von den beschriebenen Krisensituationen völlig unbeeinträchtigt sind und kraftvoll in Digitalisierung, Innovation und Transformation investieren. Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass gestiegene Kosten der Beschaffung und Lagerhaltung manche Branchen zunehmend belasten und auch erhebliche Finanzierungsbedürfnisse auslösen. Auch deshalb liegt unser Fördervolumen nach dem Allzeithoch von 2022 Stand Ende Oktober auch im laufenden Jahr auf Rekordkurs. Teil dieser Entwicklung ist zum Beispiel der Liquiditätskredit, dessen Zusagevolumen bereits bei knapp 400 Mio. EUR liegt, ein Wert, der in keiner der vorherigen Wirtschaftskrisen auch nur annähernd erreicht wurde. Besonders freut uns allerdings, dass wir bereits über 170 Mio. EUR für Anlagen zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen, überwiegend Windkraft, bereitstellen konnten. Wir haben den Eindruck, dass die Energiewende in den kommenden Jahren deutlich an Fahrt aufnehmen wird.
Manche Unternehmen klagen bereits, dass ihre Bank die Kreditvergabe an bestimmte Branchen (z.B. die Automobilzulieferer) stark eingeschränkt oder gar eingestellt habe. Was kann ein mittelständisches Unternehmen tun, um seine Kreditwürdigkeit zu erhalten?
Wie bereits beschrieben, stellen wir bei unseren im Hausbankverfahren angebotenen Förderkrediten eine hohe Nachfrage fest, die sich zum ersten Mal seit 2019 auch in einer steigenden Zahl von Anträgen äußert. Wir hatten Ende Oktober bereits knapp 6.400 gewerbliche Förderzusagen, was einem Plus von 7 % entspricht. Daraus lässt sich keine Zurückhaltung der Banken und Sparkassen in der Kreditvergabe erkennen. Gleichwohl sind die Banken – auch durch die Aufsicht – aufgerufen, ihre Risiken professionell zu analysieren und abzubilden. Dazu gehört, dass die Betriebe ihre Bankpartner zeitnah und fundiert über die Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle informieren müssen. Die Aussagefähigkeit bei Aspekten der Nachhaltigkeit, wie man dem Fachkräftemangel begegnen will oder wie man in entsprechendem Lebensalter seine Nachfolge regeln möchte, ist dabei von wesentlicher Bedeutung. Mancher Unternehmer wird dabei Unterstützung benötigen, da schlägt dann die Stunde des RKW Baden-Württemberg.
Die Digitalisierung hat neue Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen, wie Crowdfunding, Peer-to-Peer-Kredite und Online-Plattformen für Unternehmensfinanzierungen. Ist das auch etwas für unsere mittelständischen Unternehmen und wie werden solche Angebote angenommen?
Nach unserer Analyse spielen Online-Plattformen derzeit entweder im größeren Mittelstand oder bei stark standardisierten Finanzierungen von Fahrzeugen oder Maschinen eine Rolle. Mittelfristig werden diese Finanzierungsformen aber sicher an Bedeutung gewinnen, so dass wir bereits heute für unsere Förderprodukte einen modernen Online-Zugangsweg gestalten, der in Kürze in Betrieb gehen wird. Perspektivisch können sich auf diesem Weg alle interessierten Bankpartner, auch jene die bundesweit agieren, einen Online-Zugang für ihre Anträge erschließen. Im Rahmen unserer Digitalisierungsstrategie ist die Teilautomatisierung unserer Förderzusagen, ähnlich wie sie bei unseren Bank-durchgeleiteten Wohnungsbaukrediten bereits besteht, fest eingeplant. Zur technischen Anbindung von Online-Plattformen stehen wir ebenfalls in konkreten Gesprächen.
Die L-Bank hat als Förderbank des Landes bekanntlich vielfältige Aufgaben. Aber als Kreditinstitut ist sie auch bereits unmittelbar von der ESG-Regulatorik betroffen. Wie wirkt sich dies auf Ihre Arbeit aus und worin sehen Sie die Schwerpunkte für die Wirtschaftsförderung im nächsten Jahr?
Nach meiner Einschätzung gehört unser Haus, auch dank der politischen Unterstützung seitens des Landes, mit dem Nachhaltigkeitsbonus zu den so genannten „first-movern“ auf dem Gebiet, finanzielle Anreize für nachhaltiges unternehmerisches Handeln zu gewähren. Dieses Angebot haben wir inzwischen seit eineinhalb Jahren am Markt und sind von der Resonanz überaus positiv überrascht. Durch unseren Anreiz haben annähernd 1.000 überwiegend kleine und mittlere Unternehmen eine CO2-Bilanzierung vorgenommen und konkrete Maßnahmen in Richtung CO2-Neutralität erarbeitet. Das hiermit ausgereichte Darlehensvolumen beträgt bereits weit über eine halbe Milliarde Euro. Auf diesem Erfolg, der sich auch in der Prämierung zu einem der Finanzprodukte des Jahres 2023 festmacht, wollen wir uns aber natürlich nicht ausruhen. Aktuell arbeiten wir mit Hochdruck an der konzeptionellen Weiterentwicklung dieses Förderansatzes.
Diese Frage muss ich noch loswerden: Die KfW, also die Förderbank des Bundes, hat zuletzt Schlagzeilen wegen enormer Zinssteigerungen gemacht - insbesondere durch die 9% beim Studienkredit. Worauf müssen sich die Mittelständler hier im Land einstellen?
Da möchte ich, jenseits des Beispiels des Studienkredites, an dem ich fachlich nicht nahe genug dran bin, für etwas Verständnis gegenüber den Förderbanken werben. Bundes- wie Landesförderinstitute verfügen über ein politisch beeinflusstes Förderbudget, das begrenzt ist. Marktzinssteigerungen, die in den letzten eineinhalb Jahren mindestens 400 Basispunkte betragen haben, lassen sich mit Subventionen aus öffentlichen Haushalten nicht abfedern. Ich habe auch Zweifel, ob das wirtschaftspolitisch sinnvoll wäre, da Zinsen ja auch eine volkswirtschaftliche Steuerungswirkung haben, die grundsätzlich Sinn macht. Wir sollten also unsere Erwartungen, dass der Staat alle negativen Entwicklungen vollständig abfedern kann, etwas zurückschrauben. Für die L-Bank kann ich versichern, dass wir den Mittelstand in Baden-Württemberg auch in Zukunft mit attraktiven und verlässlichen Förderangeboten unterstützen werden, die insbesondere unsere Zukunftsthemen wie Innovation, Digitalisierung und Transformation im Fokus haben.
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