Wir haben unseren RKW BW-Fachberater Rupert Urban zum Standort Baden-Württemberg befragt. Der Lean-Management-Experte plädiert für Produktionsverbünde und abgestimmte Prozessketten: „Die baden-württembergische Supply Chain muss viel mehr genutzt werden.“ Verschwendung reduzieren, exzellente Prozesse schaffen: Viel Potenzial ist nach seiner Erfahrung in produzierenden Betrieben vorhanden. Urban: „Es ist wie im Fußball. Erfolg hat, wer in einer hohen Handlungsgeschwindigkeit als Kollektiv die besten Entscheidungen trifft und gute Ergebnisse generiert. Vom GF bis zum Staplerfahrer.“ Bei unserer Roadshow „RKW BW Dialog“ am 24. und 30. Oktober wird der Produktionsberater einen Impulsvortrag halten.
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Erfolgreich produzieren am Standort Baden-Württemberg: Geht das? Viele mittelständische Unternehmen klagen über die hohen Lohn- und Energiekosten.
Rupert Urban: Ja, es geht. Vor allem an den Lohnkosten kann man einiges einsparen, da noch sehr viel Arbeitszeit auf allen Ebenen verschwendet wird und gleichzeitig durch digitale Unterstützung viel Zeit eingespart werden kann. Und bei den Energiekosten gibt es auch mehrere Wege, um dort einzusparen, wie zum Beispiel die Stopa Anlagenbau GmbH aus Achern mit ihrem Energiekonzept sehr gut zeigt.
Welches sind aus Ihrer Erfahrung die wichtigsten Gründe für mittelständische Unternehmen, dem Standort Baden-Württemberg treu zu bleiben?
Rupert Urban: Gute Mitarbeiter, gute Führungskräfte und eine Mentalität des Anpackens. Außerdem sind viele gute Firmen in hervorragenden Branchen in Baden-Württemberg vorhanden. Ziel muss es sein, voneinander zu lernen, zu profitieren, mehr in lokalen Produktionsverbünden zu denken. Die baden-württembergische Supply Chain muss viel mehr genutzt werden. Wir sollten regional mehr in Synergien in Form von angewandtem Wissen und aufeinander abgestimmten Prozessketten denken.
Nicht wenige Unternehmen versuchen dennoch, Standortvorteile im Ausland zu nutzen. Ist das der richtige Ansatz?
Rupert Urban: Zum Teil leider ja, wir können nicht alles im Land halten, vor allem, wenn uns an manchen Stellen die Fachkräfte fehlen, und auch weil es uns nicht schnell genug gelingt für unattraktive Arbeiten rechtzeitig Lösungen in Automation zu generieren. Aber hier, da bin ich mir sicher, wird uns die Künstliche Intelligenz weiterhelfen, um schnell in diese Richtung weiter zu denken und in die Umsetzung zu kommen. Trotzdem ist es um jeden verlorenen Arbeitsplatz schade und ich arbeite persönlich daran, dies zu vermeiden.
Welche Möglichkeiten sehen Sie als Lean-Management-Experte und Produktionsberater, wie sich mittelständische Unternehmen auf die aktuellen und künftigen Herausforderungen aufstellen sollten?
Rupert Urban: Wir sollten uns auf eine Welt der schnellen Veränderungen einrichten. Das heißt, dass diese Welt, die unsere Väter und Mütter nach dem Krieg aufgebaut haben, überwiegend so nicht mehr funktioniert. Wir werden schneller unsere Produkte ändern, schneller den Reifegrad in der neuen Produktionslinie erreichen müssen, wir müssen mehr automatisieren, mehr Transparenz in den Betrieben schaffen – zum Beispiel durch Nachrüsten von Sensorik in Bestandsprozessen, daraus abgeleitet schnellere und automatisierte Entscheidungen ableiten. Schlicht gesagt, die Handlungsgeschwindigkeit erhöhen und dadurch gute Ergebnisse abliefern. Dabei hilft auch eine digitale Fabrik- und Arbeitsplatzplanung.
Was sind die wichtigsten Stellhebel, wo und wie setzen sie bei Optimierungsprojekten bei produzierenden mittelständischen Unternehmen an?
Rupert Urban: In erster Linie immer am Wertstrom beziehungsweise an der Wertstromlandschaft eines Unternehmens. Jedes Unternehmen hat Verschwendungen im gesamten Auftragsdurchlauf vom Vertrieb über die Auftragssteuerung, die Materialbeschaffung, die Produktion, bis hin in die Auslieferung. Da ist noch unglaublich viel Potenzial vorhanden. Meistens an den Schnittstellen im Wertstrom. Entscheidend ist der Prozentsatz an Verschwendung in jeder Firma. Jedes unklare Vertriebsdokument, jeder unnötige Transport, jede Umplanung von Aufträgen im laufenden Prozess, jedes verschrottete Teil belastet das Betriebsergebnis und somit den Standort – und die Menschen! Gleichzeitig stellt dies auch das Potenzial dar, wir müssen es nur über exzellente Prozesse (Opex) heben. Es ist wie im Fußball: Erfolg hat, wer in einer hohen Handlungsgeschwindigkeit als Kollektiv die besten Entscheidungen trifft und gute Ergebnisse generiert. Vom GF bis zum Staplerfahrer.
Welche Effekte können entlang der Wertschöpfungskette erzielt werden, nennen Sie bitte Best-practice-Beispiele?
Rupert Urban: Reduzierung von Durchlaufzeiten im Maschinenbau von vier Monaten früher zu einem Monat heute sind möglich, gleichzeitig nehmen dabei Bestandskosten in einem ähnlichen Prozentsatz ab. Rüstzeitreduzierungen um über 80 Prozent sind immer noch möglich. Aber ich möchte nicht immer nur von Reduzierungsbeispielen sprechen. Für mich ist ein wichtiger, ergebniswirksamer Aspekt ein hervorragender Arbeitsplatzstandard, der neuen oder wechselnden Mitarbeitern ein sehr schnelles Zurechtfinden ermöglicht, um den Prozess stabil zu halten und immer gleichmäßige Ergebnisse abzuliefern. Das allein ist ein unschätzbarer Nutzen – eine gute und verschwendungsarme Fabrik läuft im Inneren wie eine Schweizer Uhr – gleichmäßig hochwertig. Nicht einmal schneller und dann wieder langsamer.
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