Christian Wewezov ist Fachberater beim RKW Baden-Württemberg und ist auf das Thema Unternehmensnachfolge spezialisiert. Als RKW-Nachfolgeexperte unterstützt er Unternehmen bei der Planung und Umsetzung ihrer Nachfolgeregelung. Durch seine Expertise hilft er, den Übergabeprozess zu strukturieren und zu erleichtern.

Das Nachfolgeproblem wirft bereits seit einigen Jahren einen langen Schatten auf den Mittelstand. Laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn wird es in Deutschland bis 2026 mehr als 772.000 übernahmewürdige und ca. 190.000 übergabereife Unternehmen geben. Zugleich ist die Anzahl potenzieller Nachfolger bedeutend geringer, was für die deutsche Volkswirtschaft aktuell eines der gravierendsten Probleme darstellt. Hinzu kommt, dass sich in den letzten Jahren auch die Finanzierung der Nachfolge erschwert hat. Laut dem DIHK-Nachfolgereport 2023 fordern etwa 40 Prozent der Eigentümer einen überhöhten Kaufpreis. Gleichzeitig haben aber mehr als 30 Prozent der Nachfolger Schwierigkeiten bei der Nachfolgefinanzierung.

Als übernahmewürdig werden Unternehmen beschrieben, die finanziell attraktiv für Nachfolger sind, während übergabereif jene Unternehmen beschreibt, deren Eigentümer beabsichtigen, das Unternehmen innerhalb von fünf Jahren an einen Nachfolger zu übergeben.

Wenn der Mittelstand daher keine neuen Wege findet, mehr Menschen die Nachfolge zu ermöglichen, wird – in Anbetracht der Diskrepanz zwischen suchenden Unternehmen und möglichen Nachfolgern – vielen mittelständischen Unternehmern nichts anderes übrigbleiben, als ihr Unternehmen zu verkaufen oder im schlimmsten Fall ihr Lebenswerk liquidieren zu müssen. Um die Vielfalt und Tradition mittelständischer Unternehmen zu wahren, gilt es daher heute, sichere Pfade zu verlassen und mutig neue Wege der Unternehmensnachfolge zu beschreiten.

Konkrete Schritte zur Sicherung der Nachfolge

1. Förderung der Nachfolger u. a. durch Coaching

Bei der Unternehmensübergabe ist es nicht nur wichtig, den geeigneten Nachfolger zu finden, sondern auch sein Unternehmen attraktiv für potenzielle interne Nachfolger aufzustellen. Wesentliche Werttreiber sind die Ertragskraft des Geschäftsmodells, die Klarheit der Unternehmensstrategie und die Wirksamkeit der Innovationskultur. Übergebende sollten rechtzeitig eine Kultur etablieren, welche innovatives und unternehmerisches Denken und Handeln unterstützt, um potenzielle Nachfolger zu inspirieren und zu ermutigen. Durch die partizipative Einbindung von Mitarbeitern in Strategie und Innovation, können Übergebende ihren Mitarbeitern unternehmerische Fähigkeiten vermitteln und somit die Grundlage für eine interne Nachfolge legen.

Ein weiterer Faktor zur Unterstützung der Nachfolger sind einerseits begleitende Mentorings und Coachings sowie andererseits gezielte Weiterbildungen und Trainings zu ermöglichen. Wie aus der RKW-Studie „Innovationsmotor Personal“ hervorging, sind dies genannten Personalentwicklungsinstrumente geeignet, um unternehmerisches Verständnis und Führungskompetenzen zu stärken. Somit sind diese Maßnahmen auch geeignet, potenzielle Nachfolger auf ihre zukünftigen Aufgaben der Unternehmensführung vorzubereiten.

2. Die Nachfolgersuche ausweiten

Wie die Studie des IfM Bonn gezeigt hat, überschreitet die Anzahl von Unternehmen, die auf der Suche nach einer Nachfolgelösung sind, die Anzahl möglicher Nachfolger. Doch das liegt auch daran, dass es sowohl „vernachlässigte“ Personengruppen als auch Nachfolgelösungen gibt, die dabei helfen könnten, ungenutzte Nachfolgepotenziale zu heben.

Eine „vernachlässigte“ Gruppe sind bestehende Mitarbeiter, die kompetent, engagiert und loyal sind, aber nicht über einen ausreichenden Einkommens- bzw. formellen Bildungshintergrund verfügen. Sie verfügen im Vergleich zu externen Nachfolgern häufig über außerordentliche Betriebskenntnisse, die für die Fortführung des Betriebes im Sinne des Übergebers sprechen. Sie kennen die Probleme, Strukturen und Prozesse des Unternehmens und haben meist eine Vorstellung darüber, was sie als Nachfolger verbessern würden.

Eine weitere Personengruppe, die in der Nachfolgersuche noch unterrepräsentiert ist, sind Potenzialträger mit Migrationshintergrund. Oftmals mussten sie größere Widerstände überwinden, indem sie die Extrameile gehen, um akzeptiert zu werden und sich ein Leben aufzubauen. Ihr entwickelter Ehrgeiz und ihre Tatkraft sind gute Voraussetzungen, um auch als Nachfolger langfristig erfolgreich zu sein.

Eine weitere vielversprechende Gruppe sind Managementaussteiger aus großen Familienunternehmen und Konzernen. Diese Aussteiger bringen sind häufig von dem Gedanken angetrieben, sich neu zu entfalten und neue Berufsperspektiven zu gewinnen. Ihre Management- und Berufserfahrung im Umgang mit „großen“ Strukturen sind hilfreich, um nach der Übergabe das Unternehmen auch transformieren zu können, wenn nötig.

Studierende aus Hochschulen und Universitäten sind ebenfalls eine „vernachlässigte“ Gruppe, da sich einige von diesen gezielt mit dem Thema „Unternehmertum“, der „Gründung und Finanzierung von Start-ups“ und mit „neuen Geschäftsmodellen“ oder „neuen Technologien“ befasst haben. Wenn man diese für die Vorteile der Nachfolge gegenüber der eigenen Gründung eines Start-ups überzeugt, könnten einige neue Nachfolger gewonnen werden. Besonders die Rate des Scheiterns ist bei der eigenen Gründung wesentlich höher als bei der Übernahme eines erfolgreichen Unternehmens.

3. Bei der Nachfolge gibt es keine „One fits all“-Lösung

Wenngleich die beschriebenen Personengruppen den Pool potenzieller Nachfolger vergrößern, sind sie doch geprägt von persönlichen Limitationen, die es in der Strukturierung der Nachfolge zu berücksichtigen und zu lösen gilt. An dieser Stelle gibt es nicht die „Blaupause“ zur Entwicklung einer Nachfolgelösung, dafür neue Wege, über die es sich lohnt, nachzudenken.

Einer dieser Ansätze ist die Bildung eines „Nachfolgetandems oder -teams“. Besonders im Falle einer internen Nachfolgeregelung durch langjährige Mitarbeiter, kann die Nachfolge durch ein „Tandem“ oder „Team“ dabei helfen, Kompetenzen ergänzend in die Geschäftsführung zu integrieren, Unsicherheiten und die finanzielle Last der Nachfolge auf mehrere Schultern zu verteilen. Zudem profitieren alle Nachfolger von dem Erfahrungsaustausch untereinander und können Lerneffekte miteinander teilen und reflektieren.

Ein weiterer möglicher Ansatz, der Nachfolger in ihrer neuen Funktion unterstützen soll, ist die Gründung eines „Beirates“ in einem eigentümergeführten Unternehmen oder eines „Familienbeirats“ in einem Familienunternehmen. Als „beratendes“ Gremium kann ein Beirat dem Nachfolger mit Erfahrung und Know-how in seiner neuen Rolle unterstützend zur Seite stehen, ohne seine neue Führungsposition zu untergraben.

Auch „Corporate Venturing“ und „strategisches Unternehmertum“ werden immer öfter als neue, potenzielle Ansätze der Nachfolgelösung bedacht. Während strategisches Unternehmertum die Entwicklung eines unternehmerischen Mindsets innerhalb des Unternehmens fördert, eignet sich die Ausgründung eines „Corporate Startups“ (in der Praxis häufig nur als „Spin-off“ oder „NewCo“ bezeichnet) im Rahmen einer langfristig strukturierten Unternehmensnachfolge als Vehikel, um zum einen Führungs- und Managementqualitäten zu entwickeln und andererseits neue Geschäftsfelder und Technologien zu erschließen, über die die Muttergesellschaft noch nicht verfügt.

Der Bereich, der in den letzten Jahren wohl die meisten neuen Ansätze hervorgebracht hat, ist jedoch die Nachfolgefinanzierung. Besonders das Earn-out ist eine bewährte Variante, die finanzielle Last des Nachfolgers zu staffeln. Zudem kann auch eine Minderheitsbeteiligung eine Lösung sein, um den potenziellen Nachfolger anteilig am Unternehmen teilhaben zu lassen und wenn er sich bewährt, dann werden weitere Anteile übertragen. In beiden Fällen sind mögliche Risiken des Übergebenden mit einem Juristen zu besprechen und zu regeln.

 

Fazit: Nachfolge innovieren, um die die Zukunft des Mittelstands zu sichern!

Die aktuelle Mischung aus demographischem Wandel und den angespannten ökonomischen Rahmenbedingungen, hat aus der Unternehmensnachfolge die elementare Herausforderung des Mittelstands gemacht. Doch wie in vielen anderen Herausforderungen, schlummern auch im Nachfolgeproblem Chancen für Mittelstands- und Familienunternehmen. Denn die Nachfolge zwingt viele Unternehmen, die eigene Innovations- und Unternehmenskultur zu reflektieren und interne Potenziale zu heben, zugleich hält sie den Mittelstand aber auch dazu an, zu reflektieren, welche etablierten Praktiken es wohlmöglich abzulegen gilt. Die größten Chancen bietet die Unternehmensnachfolge jedoch jenen Unternehmen, die bereit sind mutig neue Pfade zu erkunden und ihr Unternehmen transformiert – und gut vorbereitet (!) – in die Zukunft zu navigieren.

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